Zunächst knüpfte Christoph von Nostitz in dieser Zoom-Lesung an die längere Erzählung „Annas Geheimnis“ an, die er im Zehnminuten-Format des Offenen Abends vom 3. Dezember nicht zu Ende lesen konnte. Die per Internet-Portal kontaktierte, sehr elegante und attraktive „Anna“ spielte Jojo mit dem Erzähler, bestimmte das Tempo der Annäherung, ließ aber keinen Einblick in ihr Leben zu. Trotz sexuellen Geschehens werden die beiden nicht wirklich warm miteinander und der männliche Teil beendet die Affäre schließlich – zum Glück war „sie“ aber keine Betrügerin. Seine Wohnung wurde nicht ausgeraubt, sein Konto nicht abgeräumt, seine Seele nicht geplündert – vielleicht etwas zu wenig für einen literarischen Plot? Das Publikum vermisste z.T. Eros und Gefühl hinter der indirekten Rede und der teils etwas komplexen Syntax.
Stilistisch klarer, direkter nähert sich der Autor in seinem Roman „Zürich, Frauenbadi“ der Frauenwelt. Hier bestimmen drei Frauen die Handlung – alle in ihren Fünfzigern, elegant gekleidet und finanziell weich gepolstert. Der Romananfang zeigt die Milliardärin Monika aus München, die das Problem hat, keine Lust mehr auf ihre ständige Kapitalmaximierung zu haben. Die anderen Damen, Valerie und Zwillingsschwester Benita, aus Hamburg, sind eher dem Eros, als dem Karriereleben zugetan. Zusammen besuchen sie eine Vernissage, und als ein Weinglas überschwappt, ist der Kontakt zu einem Mann hergestellt. Ein Künstler! Seine strahlenden Augen zünden sofort – die Ménage à Trois der Schwestern mit dem Mann nimmt ihren Anfang – aber als die Sache gerade beginnt, spannend zu werden, ist der Abend dieser Lesung beendet. Das online zugeschaltete Publikum findet die Frauen überzeugend gestaltet. Das bewundernde Aufschauen zum Künstler stört nicht weiter. Die Dialoge passen.
Man ist auf die Forstsetzung des Romans gespannt. Der Autor vertreibt ihn derzeit noch selbst und wird ihn sicher im Sommer weiter vorstellen im MLb, wenn dort wieder live gelesen werden kann.
Abendbericht von W. Hirche