Von Rot gebärenden Worten und Papa im Unterholz – Abendbericht vom 19. Mai 2023

Der Wald, ein Hort für Mythen, aber auch ein Spiegel für Realitäten. Die 2102te Lesung im MLB stand ganz im Zeichen des deutschen liebsten Kinds. Jutta v. Ochsenstein und Wolfgang Haenle stellten im ersten Teil des Abends noch unveröffentlichte Texte vor, während der zweite Teil dem gemeinsamen Gedichtband „Von der Unschärfe der Wälder“ gewidmet war.

Einfühlsam, melodisch, von einer sinnlich-ruhigen Sprache getragen, die Gedichte von Jutta v. Ochsenstein. Sie stellte der Sicht der Hände nach, zeigte, dass Worte Rot gebären und führte das Publikum in Lesezellen, in denen eine Flüssin Spuren am Himmel lässt. Meist sind es einzelne Bilder, Metaphern, über die das Publikum Eingang in die Gedichte findet. So in „die Sicht der Hände“ die Strophe „es gibt ein Tasten nach Wurzeln / kaum aufgehoben / im Plan der Tastaturen“. Es ergeben sich öffnende Diskussionen und Interpretationen, man spürt, dass die Autorin viel von Sprache, Rhythmik und auch Pädagogik versteht.

Im Wechsel stellen Jutta v. Ochsenstein und Wolfgang Haenle ihre Gedichte vor. Wolfgang Haenles Gedichte handeln nicht alle vom Wald. Angenehm, dass auch im Sprachstil die Gedichte unterschiedlich angelegt sind. Haenles Texte sind konkreter, direkter, nicht selten sprechen sie ein Gegenüber an. „jetzt reiß dich doch mal zusammen“, „beschwer dich doch oder heul gegen den wind“ sind zwei Beispiele hierzu. Dabei greift er gern und deutlich aktuelle Themen auf: „innereien / die ich liebe, gebraten in butter / abgeschafft wie die eisenpfanne / eine geste an peta und greta / …“ Auch hier findet das Publikum Eingang und zeigt sich interessiert an „oberholz II / papa im unterholz / …“

Obwohl – oder gerade weil – sich an diesem Abend eine recht überschaubare Anzahl Zuhörerinnen und Zuhörer im mlb einfand, entwickelte sich eine offene, fast persönliche Gesprächsatmosphäre. Vielen Dank allen Beteiligten.

Bericht von Franz Westner
Bilder von Jutta Weber-Bock