…und unberechenbar. So wie am 21. Juni im MLb beim Themenabend „Ballspiele“. Da momentan auch noch andere Ballspiele stattfinden, konnten sich an diesem Abend leider nur sehr wenige Gäste an der Wort-Jonglage (sehr gehobene Ballkunst!) des Kölner Autors Georg Smirnov erfreuen.
In dem mit Prosa vermischtem Langgedicht Wiedertäufer erzählt Georg Smirnov von der Übersiedlung seiner Familie aus Russland nach Köln im Jahr 1990. Anhand einer Rückblende schildert der Autor seinen – vielleicht nur erfundenen – Versuch einen Fußball, mit einem gewagten Sprung in den kirgisischen Flusses Tschui, zu holen, obwohl er Angst vor den Fluten hatte. Dabei träumt er davon, in welchem Land er denn wieder aus dem Wasser steigen werde, sollte ihn der Fluß nicht verschlingen. Schwarzes Meer, Nordsee, wo auch immer. Er erwacht mit seinen Eltern in Deutschland. 1990 wurde Deutschland durch ein Elfmetertor von Andi Brehme Fußballweltmeister. Georg Smirnov hat den Text Andi Brehme gewidmet. „Ein Meister aus Deutschland. Eines von 24 Sammelbildern. Eines von 24 Vorbildern“. Für ihn war der Fußballer der Deutsche an sich. Ein Vorbild in allen Belangen, wie Deutschland auch. „Mein Herz glüht für Helmut Kohl. Ich sterbe für Harribo und Duplo“. Sein damaliger Freund Marcel war, als Kölner, Bayernfan. Eigentlich unmöglich. Und sie spielten die Weltmeisterspiele nach. Dann kam der Strafstoß, den Georg – als Andi Brehme – so gerne selbst verwandelt hätte. Aber Marcel – der Deutsche – durfte schießen und verschoß. Der Ball landete im Fluß. Und jetzt ist es Georgs Mutter die anscheinend in den Strom springt und dabei zu träumen beginnt, wo sie denn ankommen wird, wenn…
In den 79 sprachlich dichten, ausgefeilten, mehrere Ebenen umfassenden, metaphorisch sehr gelungenen Strophen, gelingt es Georg Smirnov, die Übersiedlung mit all den Irrungen, Wirrungen und der Euphorie eindrucksvoll literarisch zu bearbeiten. Wäre schön, wenn Georg Smirnov mal für einen ganzen Abend im MLB lesen würde.
Abendbericht: Beppo Rohrhofer