Vor allem nach Rom und nach Venedig entführte Christian Dörr mit seinen rhythmisch freien, meist reimlosen Gedichten das Publikum des MLb. Ein nicht ganz risikoloses Unterfangen, denn allein in den letzten Jahren haben anerkannte Poeten wie Ludwig Steinherr und Durs Grünbein ähnliches unternommen, Gedichte zu Rom und Venedig vorgelegt – ganz zu schweigen von all den anderen Konkurrenten! Aber der Autor findet seinen eigenen Ton, versteht es immer wieder, in Beobachtungen von Natur und Gemäuer Historisches einzuflechten, das Subjektive zu betonen, dem willigen Leser oder Hörer Bildungsgut einzuträufeln.
Das Publikum mäkelte allerdings kundig und respektlos wie so gern und oft an diesem Ort an manchem Ausdruck, fand hie und da ein Haar im „Canale Grande“ obwohl der kleine Gedichtband „Melusinen im Kopf“ ja schon fertig gedruckt vorlag. Möglich, dass der Dichter frei und frech das „e“ an den Großen Canal aus rhythmischen Gründen anhängte – im Glossar hätte der Verlagslektor doch erschrecken sollen. Dennoch ein anregendes, bildungssattes Bändchen, dem man vollen Erfolg wünschen kann.
Bericht von Walt Marflow