Hippie mit E-Rasierer – Abendbericht vom 17. Oktober 2025

Wenn die Jahrzehnte vergehen, heißen die Städte plötzlich anders und die Flüsse fließen den Berg hinauf. Der bekannte Autor Tiny Stricker lud zur Lesung aus seinem neuen Buch.

„Hippies in Chittagong“ ein – jener Stadt in Bangladesh, dem damaligen Ost-Pakistan, die seit einiger Zeit Chattogram  genannt werden will. Der  Hauptstrom Karnaphuli allerdings  dürfte – Stand heute – noch immer in den Indischen Ozean münden. Von dort war der Autor nach Umfahrung des Indischen Subkontinents in Chittagong gelandet, Ende der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. In der Diskussion mit dem Publikum wurde schnell klar, dass der Hippie-Way-of-Life auch heute noch fasziniert. Verzicht auf Konsum und Karriere, auf festen Wohnsitz, Familie und Arbeitsalltag. Wobei – Ironie der  Story – der Autor damals sehr bald in einem faden Büro am Hafen tätig war, um die dringend nötigen Rupien fürs Leben zu verdienen. Denn weder Stehlen noch Betteln kamen für ihn in Frage. Und ein reicher Mäzen männlich /weiblich/ divers nach Rilkeart war nicht in Sicht. Immerhin lernte er bei einer wunderschönen Bengalin schnell die Grundbegriffe und Schnörkel bengalischer Sprache und Schrift – „kichu, kichu“ , also „wenig, wenig“. Dass er einen viel beneideten Elektrorasierer mit sich führte und seine Konfirmanden-Uhr versetzen musste, auch das waren so die kleinen, feinen  Einblicke, die einen solchen Abend im MLb  lohnend machten.

Nach der Pause kamen Kanada mit Vater mit Cousin des Autors zum Zuge – ein Manuskript über Highways durch Kanada und die USA Anfang der Siebziger, bei dem aber die Gespräche und der Gedankenaustausch mit den Menschen wichtiger waren, als das Sightseeing. Schließlich führte Tiny Stricker sein Publikum noch in alte Münchner Musik- und Tanz-Locations der Siebziger und Achziger, das Tabarin, Birdland und Cadillac – Musikkneipen, in denen er nach seiner Hippiezeit einen Hauch von „Glückseligkeit“ genoss.  – Viele  Zuhörer gingen danach mit glänzenden Augen nach Hause.

Abendbericht: Wolfram Hirche
Fotos: Christian Dörge