Schwierige Fremde – Abendbericht vom 14. November 2025

Zu Beginn dieses Themenabends las Hilda Ebert außer der Reihe zum Gedenken an den im Oktober verstorbenen Peter Asmodai aus dessen jüngsten Erzählband „Festhalten“ eine Erzählung gleichen Titels und eine weitere mit dem Titel „Waldlichtung“ vor. Peter Asmodai war jahrelang ein steter und in bester Erinnerung bleibender Besucher des Literaturbüros, als Zuhörer, vor allem aber auch als sprachmächtiger Autor.

Zum Thema „Fremde Welt“ trugen sechs Autorinnen und Autoren ausschließlich Prosatexte vor. Die Reihe begann mit Anke Lau und ihrer Erzählung „Jolanda im falschen Film“. Das war ein Erinnerungstext über das Erwachsenwerden im geteilten Berlin, an die Mutter, an den Liebesschmerz, den die Erzählerin „wie eine Goldader“ durchzieht. In der Gegenwart ist die Erzählerin selbst Mutter und endet mit dem Satz: „Ich gehe fremd auf diesem Weg“. Diskutiert wurde, wie bei allen nachfolgend gehörten Erzählungen, der Bezug zum Thema, der nicht offenkundig, sondern nur mittelbar herstellbar war: Die Vergangenheit als Fremde, das erträumte Andersleben, vielleicht das eigene Ich als fremde Welt.

Gerd Hohmann las nachfolgend ebenfalls eine Erinnerungsgeschichte (ein kurzer Auszug aus einem Roman), die im Dritten Reich spielte und die erinnerten Eindrücke eines 5- und 10-Jährigen, vor allem an Aufmärsche, Führergeburtstag, Fahnen usw., oder Ausflüge mit einem Hanomag aufs Land, schilderten. In der Diskussion wurde erörtert, warum aus der Art der Erzählung nicht geschlossen werden konnte, dass diese Erinnerung als etwas Fremdes empfunden wurde. Der Bezug zum Thema blieb unklar.

„Verlockend“ lautete der Titel einer witzigen Schullehrergeschichte, die Wolfram Hirche vortrug. Aus der Sicht eines Biologie- und Sportlehrers wurde dessen krankhafte Eifersucht auf einen Kollegen, der mit einer neuen Kollegin scheinbar oder tatsächlich flirtet, geschildert. Er phantasiert über Pheromene, (chemische Botenstoffe), die nur Grund für den Erfolg des Kollegen bei Frauen sein konnten. Daran schlossen sich ziemlich merkwürdige und lachhafte Überlegungen zu Fortpflanzung, Begattung, Bedeutung der Männer dafür usw. usf. an, die der Autor in gewohnt gekonnter, ironischer, ausdrucksvoller Weise vortrug. Auch hier schloss sich die Frage an, worin der Bezug zum Thema denn bestand. Vorgeschlagen wurden aus dem Publikum: Die fremde Welt für den Ich-Erzähler sind die Frauen überhaupt, oder ist seine eigene Person, oder der Lehrerkollege? Ein eindeutiges Ergebnis wurde in der Diskussion nicht erzielt.

Nach der Pause trug Patrick Erdmann eine Erzählung vor, die in einer Bürgerversammlung angesiedelt war, in der über das Schicksal eines Schlachthofes im Ort diskutier wurde. Der Autor ließ Repräsentanten unterschiedlicher Milieus aufeinandertreffen, jeweils gekennzeichnet vor allem durch unterschiedliche Sprechweisen, nämlich Dialekt einerseits und elaborierte Sätze städtischer Eliten und Hipster andererseits, aber auch durch unterschiedliche inhaltliche Standpunkte. Es sollten, so der Autor, die wechselseitige Fremdheit verschiedener Milieus am Beispiel der Diskussionsbeiträge verschiedener Sprecher in dieser Versammlung gezeigt werden. Aus dem Publikum wurde eingewandt, die Darstellung sei vielleicht doch zu plakativ und klischeebeladen um überzeugend zu wirken.

Petra Lang trug ihre Erzählung „Die ersten dieser Art“ vor, die bereits in den ‚LiteraturSeiten München‘ für November 2025 auf Seite 3 abgedruckt ist. Die im Wesentlichen aus Dialogen der vier Protagonisten bestehende Erzählung spielt in einem vielleicht virtuellen, künstlich anmutenden Raum, in dem zuletzt phantastisch-dämonische Wesen auftreten und u.a. gemeinsam singen. Das Fremde bestand hier zunächst in dem undeutlich-unklaren Raum, wurde in der Diskussion gemutmaßt und darin, dass man am Ende nicht genau weiß, worum es überhaupt geht und alles in der Schwebe bleibt.

Im Mittelpunkt der letzten an diesem Abend vorgetragenen Geschichte von Franz Oberhofer stand Ingrid, eine Sprecherin, die in Straßenbahnen Haltestellen ansagte und Besonderheiten im Streckenverlauf ankündigte. „Sprechaufträge nahm sie entgegen wie ein Kapellmeister die Partituren.“ Nach 30 Jahren aber wird sie durch die KI ersetzt. In einem lapidaren Brief wird ihr mitgeteilt, dass sie nunmehr überflüssig sei, weil ihre Stimme erfolgreich ins System „integriert“ worden ist. Geschildert wird ihr daraufhin eintretender Verfall. Sie versteht die Welt nicht mehr, die Situation, das Wissen, nicht mehr gebraucht zu werden, ist ihr zutiefst fremd. Zuletzt sitzt sie in einem Park auf einer Bank, mit einem Mikrofon auf dem Schoß. Wie alle Erzählungen, erhielt auch diese viel Beifall. Die ‚fremde Welt‘ war hier deutlicher zu erkennen, als in den zuvor gehörten Beispielen.

Insgesamt boten die vorgetragenen Geschichten, gerade weil sie vielfach das Thema des Abends nicht eindeutig trafen, und sich die fremde Welt mitunter als schwer erkennbar erwies, viel interessanten Diskussions- und Gesprächsstoff. Allgemeiner zustimmender Beifall am Ende.

Abendbericht: USN
Foto: Beppo Rohrhofer