Der Höhepunkt des diesjährigen Sommerfestes gelang Andreas Meyer: Er packte eine gute alte, mechanische Schreibmaschine auf den Tisch, erklärte, er schreibe jetzt „Elfchen“, man gebe ihm aus dem Publikum bitte Stichworte. Er erhielt sie, etwa ‚Regenguss‘ ‚Faust‘ ‚Lenz‘ oder ‚Programm‘ usw. Und das Publikum konnte mitansehen und -hören, wie mit Hilfe des Einfingersuchsystems, seinen fünf Fingern, die er zum Abzählen gebrauchte, und natürlich der bewundernswerten Stand-Up Assoziationsfähigkeit des Autors, jeweils Gedichte aus exakt elf Wörtern entstanden. Noch während des Assoziierens auf kleine Zettel getippt, übergab er diese später den Stichwortgebern. Aus dem Publikum erfolge der richtige Hinweis, dass dies das erste Mal in der Geschichte des MLB gewesen sei, dass ein Autor den Begriff „Werkstatt“ wörtlich und ernst genommen und alle Anwesenden am Prozess des Dichtens habe teilnehmen lassen. Langanhaltender Beifall für dieses eindrückliche Erlebnis für alle.
Zuvor hatte Walter Grassl zwei kurze Prosastücke vorgetragen, die sich in ernsthafter Manier aber ironischem Hintergrund mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Apfelkuchen sowie mit dem Schicksal der Zahl Null (‚0‘) befasste.
Und Christian Dörge trug sehr betont, theatralisch gekonnt, das Rätselhafte besonders betonend, seinen sprachlich präzisen Prosatext „Unser letzter Sommer“ vor. Er beschrieb vielleicht und gab vielleicht Dialoge während einer Probe für eine Bühneninszenierung wieder, oder aber ein Seminargespräch mit einer Professorin, die nachher keine gewesen sein sollte oder auch eine ganz andere Szene. Das blieb – jedenfalls für den Berichterstatter – offen und war mutmaßlich so gewollt.
Nisanga Baumann hatte sich einen Dialog „irgendwo im Nirgendwo“, jedenfalls aber in einem Reisebüro, das Karma-Reisen vermittelt, ausgedacht. Hierzu entsprang eine kurze Diskussion darüber, welche Sprache denn die angemessene für eines solche Situation jenseits der profanen Realität wäre.
Nach der Pause zeigten Tanja Wagner mit ihren wie immer rhythmisch-famosen, formvollendeten Gedichten (vor allem: „Der Wolf“, in dessen aufgeschnittenen Leib die Erzählerin hineinkriechen wollte!) und Gerhard Häußler mit seinen surreal, wunderbar übertriebenen Texten (z.B. „Der Einbeißer“, „Birnenrevolution“) ihr hervorragendes Vortrags- und Sprachkönnen. Extrabeifall und volle Zustimmung.
Zunächst aus einem ägyptischen Reisetagebuch aus den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts las zuletzt Wolfgang Müller vor und evozierte damit Wüsten- und Stimmungsbilder aus Luxor. Zum Vergleich trug er sodann Tagebuchaufzeichnungen aus der Gegenwart vor, alle aus handschriftlichen Aufzeichnungen. Es entspann sich eine kurze Diskussion über die Motivation eines solchen Tagebuch-Schreibens.
Am Ende des Abends langer Beifall für die Autorinnen und Autoren. Die von zwei Mitgliedern des Vorstands professionell angerührte Bowle erfreute sich ebenfalls größter Zustimmung und war am Ende – alle!
Abendbericht: USN