Allerlei Literarisches – Bericht vom 18.2.2022

Die Lesung am 18.2.2022 fand noch einmal als Zoom-Lesung statt. Unter dem Motto „ein bunter Abend“ hatten mehrere Autoren und ein Autor die Gelegenheit, kurze Texte dem Publikum via Internet zu präsentieren.

Den Anfang machte Annette Katharina Müller mit „In diesem Land nach unserer Zeit“, eine Dystopie. Leute flüchten sich in eine U-Bahn Station bzw. in den Tunnel vor einem in Folge des Klimawandels so gewaltigen Sturm, dass er im U-Bahn- Tunnel Mauern und Böden erzittern lässt und sogar den Tunnel von Oben her aufreißt. Die Geschichte beleuchtet besonders die Situation von drei Menschen, einer Frau, einem Mann und einem Kind. Der Text fand bei den Zuhörern ein geteiltes Echo, die Darstellung der drei Betroffenen erschien gelungen, andererseits wurden lange Passagen über politische Versäumnisse, gegen den Klimawandel anzugehen, als deplatziert und langweilig kritisiert. Andere meinten auch, die gesamte Geschichte sei zum einen aus Katastrophenfilmen genügend bekannt und zum anderen wenig realistisch.

Als nächstes trug Mae Ludwig ein kurzes Kapitel aus einem dystopischen Horrorroman vor. Am Anfang stand eine Zeitungsmeldung wonach ein sechsjähriger Junge in der Wasserwalze an der Marienklause ertrunken ist. Das eigentliche Thema des Texts wurde anhand der Schilderung einer Vorlesung in Komparatistik zum Thema Selbstbetrachtungen Marc Aurels präsentiert. Ein psychologisches Portrait der Studentin Laura, einem selbstunsicheren und übersensiblen Mädchen zeigte,  der die  sich geschickt in Szene setzende Kommilitonin Lotte gegenübergestellt wurde. Das Publikum lobte die interessanten Personendarstellungen und die insgesamt spannende Geschichte, kritisierte aber eine umständliche Sprache und zu viele Details, die wohl nicht weiterführen und daher einen für einen Romananfang ungeeigneten Texte ergäben.

Sodann präsentierte Werner Leuthner die Satire „Prosperol“, in der der auch schon bejahrte Ich-Erzähler über eine intensive Werbekampagne, insbesondere im Fernsehen stolpert, in der ein alter, abgehalfterter früherer Serienschauspieler für ein Präparat in einem braunen Fläschchen wirbt, gut für alles von Kopf bis Fuß. Er recherchiert dann im  Internet und findet heraus, dass es sich um ein simples Pflanzenpräparat aus Ginkgo, Alraune etc. handelt, dass als Universalheilmittel propagiert wird. Der Text fand bei den übrigen Zoom-Teilnehmern ein geteiltes Echo, gerügt wurde, das die Geschichte schleppend in Gang kommt, andererseits fand man sie jedenfalls verhalten amüsant und eingängig.

„Herbstzeitlos“ war der Titel des nachfolgenden Textes von Birgit Schubert über eine alte Dame im Altenheim, die um mehr Aufmerksamkeit ihrer Verwandtschaft zu erheischen, Demenz vortäuscht. Zentrales Thema dieser Auszüge aus einem sozialkritischen Thriller war aber der Einsatz von Robotern in der Altenpflege und deren Unzulänglichkeit im Umgang mit den alten Menschen. Die Auszüge ergaben nach Meinung der Zuschauer eine flüssig erzählte Geschichte, kritisiert wurde allerdings eine als langweilig empfundene dozierende Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen anstelle von szenischer Darstellung und erzähltem Geschehen.

Als letzte Autorin kam Petra Lang zu Wort, die zwei Geschichten präsentierte; zum einen „schwarzes Eis“, ein Text über die zehnjährige Isabella, erzählt von ihrer gleichaltrigen Freundin, die Konflikte mit ihrer eigenen Mutter erlebt, während die Titelheldin Halbwaise ist, da ihre Mutter bei der Geburt ihres kleinen Bruders gestorben ist. Eine nach Meinung der Zuhörer geschickt aufgebaute, in eleganter Sprache schön vorgelesene Kurzgeschichte, der gelegentlich aber wegen der Gedankensprünge der Erzählerin schwer zu folgen sei. Den Abschluss bildete der Text „Aus Worbis“, die expressionistische Schilderung einer Fahrt der Protagonistin aus dieser Stadt mit einem alten SR2 Moped aus DDR-Produktion nach Berlin, nachdem sie sich gerade von ihrem Freund getrennt hat. Der  Rhythmus der mit romantischer Landschaftsschilderung  und anderem unterlegten Geschichte wurde vom Publikum gelobt, es gab aber Kritik an einer zu langatmigen Erzählweise.

Alles in allem ein gelungener bunter Abend.

Abendbericht von Rainer Kegel