Die Qual der Wahl – Abendbericht vom 3. Januar 2025

beim 1. Vorentscheid im neuen Jahr zum Haidhauser Werkstattpreis. Alle 5 Kandidat:innen hätten die Erstplatzierung verdient. Das gab es selten.

Ulrich Braun erinnerte mit der Erzählung „Tränenpalast“ an die erbarmungslosen Schikanen der DDR Behörden gegenüber Westdeutschen. Ob es sich dabei nur um zwei harmlose, unvorsichtige – jetzt würde man vielleicht „coole“ dazu sagen  – Gymnasiasten handelte, spielte keine Rolle. Sprachlich und erzählerisch dem Plot gut angepasst. Die beiden wurden wg. Grenzprovokation verhaftet, gedemütigt und dann doch noch in den Westen entlassen.

Renate Schmidt-Kavakatsakis las eine Episode aus ihrem Roman „Hellas und zurück“. Es geht um die Besuche und Reisen eines griechisch-deutschen Ehepaares  zu den Eltern des Mannes nach Griechenland. In Rückblicken und Träumen werden Ereignisse erzählt und abgearbeitet. Unter anderem wird die Geschichte des unter der Junta gefolterten Schwiegervaters erwähnt. Aber auch Besuche von Soldaten auf der Suche nach einsamen, trauernden Frauen auf Friedhöfen kommen zur Sprache. Griechische Landschaften und Lokalkolorit, wunderbar erzählt.

Schade, dass Sonja Brandmaier, ihren „Kampf auf Zugang zum Leben“ nicht die zur Verfügung stehenden 10 Minuten kämpfte. Eine starke  und doch immer wieder zerbrechliche Persönlichkeit, die stolz auf ihre indigenen, brasilianischen Wurzeln ist. Authentisch, sympathisch, sehr erfolgversprechende literarische Ansätze. Ansätze deshalb, weil sie ihre Texte immer wieder abgebrochen und nicht zu Ende gelesen hat. Gemach, gemach. Das kommt auch noch. Nur Mut!

Maria Margaret Koch überzeugte mit Geschichten über „Glück“. Die Texte spielten mit den Jahreszeiten. Heiße Sommer machen den Ausblick auf November erträglich und dann kommen ja wieder neue Sommersonnentage. Aber wie lange noch? Wann wird der letzte Sommer sein? Wenn er heiß ist und die Sonne mehr als wärmt, dann kann auch der Herbst des Lebens kommen. Wunderschön auch der Texte „s´Kreuzele“ in dem es um die tote Tante auf dem Sterbebett geht.

Zum Schluss präsentierte Herbert Hollitzer das Prosagedicht „Jung“. Eine fulminante, aber dennoch sehr zurückhaltende Chronik von der Geburt bis heute. Beginnend mit der unbarmherzigen Kindergarten-Schwester Lydia im grauen Kleid, über die Schule („Legasthenie war noch nicht erfunden“), dem Schlüsselkind dessen beste Freunde Winnetou und Robinson waren, der Zeit als Zivi (die Idole waren Jesus und Karl Marx) bis heute. Und immer wieder die Zeile: „Auch ich war einmal jung!“ Großes, ehrliches Kino ohne Effekthascherei in einfacher Bildsprache.

Trotz Qual der Wahl: Das literarisch gebildete Publikum hat als Gewinner des Abends Herbert Hollitzer auserwählt. Zu Recht!

Abendbericht: Beppo Rohrhofer
Fotos: Hellmuth Lang