Die 2.189te Lesung im Münchner Literaturbüro stand als erste Lesung im Monat im Zeichen des Haidhauser Werkstattpreises. Mag es am schönen Monat März gelegen haben, oder an anderen schicksalhaften Ablenkungen – es fanden sich keine vier Bewerbungszettelchen in der Box. Damit war die Ermittlung eines Monatssiegers obsolet.
Das Publikum wie auch die Autoren ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Auch ein bunter Abend bietet allemal die Chance auf unterhaltsame Literatur.
Den Anfang machte Marc Richter, der den Abend mit „einer kindlichen Dichtung“ eröffnete und dem Vatersein zwei Jahre gewachsenes Chaos bescheinigte. Ihm folgten Gedichte über die „Cassini-Mission“, „Wimperntierchen“, einem vom „Blitz gespaltenen“ Baum sowie dem „Lyrischen Potenzial der Bäume“ bis hin zu „Wie klein macht uns doch die Natur“, „Im Gehen bleiben“ und einer „Heldenbestattung“. Ein bunter Strauß kunstvoll kombinierter Texte, die das Publikum ganz bewusst mit bekannten Bildern und Ereignissen einfing (Papa, aua, Pflaster), um es dann an komplexere Bilder hinzuführen. Der Applaus sowie die lebendige Diskussion zeigten, dass ihm dies gelungen war.
Ihm folgte Patrick Erdmann mit einem Text über eine spannungsgeladene Beziehung zwischen Lukas und Amanda. Die Beziehung der beiden ist geprägt von Gewalt, Lust, Abhängigkeit, Unterwerfung. Lukas öffnet die Augen, spürt Schmerzen, fragt sich, wie Amanda ihn ins Bett gebracht hat. Sein Körper ist malträtiert. „Wie geht es dir?“, fragt Amanda und will ihn zu sich auf ihren Schoß ziehen. Er wehrt sich, schlägt unkontrolliert auf sie ein. Amanda ohrfeigt ihn und zieht ihn am Ohr zu sich auf den Schoß. Dann lachen sie, zitieren Shakespeare, Macbeth, sind plötzlich eins.
Auch diese Geschichte verfing beim Publikum, das sich mit Neugier in die Charaktere des ungewohnten Paares dachte und deren Verhalten beleuchtete.
Als weitere Autoren fanden sich spontan Gerhard Häusler, der aus dem Gedächtnis neun Gedichte und Kurztexte und Aphorismen rezitierte, vom „Kirschen essen“ über „Klassengesellschaft“ bis zum „Propheten“ und dem „Klang“ und diese im Gespräch mit dem Publikum gewohnt argumentationsfreudig untermauerte.
Und den Abschluss bildend Günter Mitschke, auch er aus dem Gedächtnis zitierend. Seine Kürzesttexte (Beispiel: Urknall – Poesie-All-Bumm) waren nicht immer so leicht zu durchschauen wie der erwähnte, manchmal brauchte es ein paar Sekunden Nachdenken, bis die Pointe erkannt wurde. Aber auch sie fanden durchweg Gefallen, denn schließlich ist „Made in Japan – kein Haiku“. Wo er recht hat, hat er recht.
Obgleich es natürlich schade war, dass der März keinen Tagessieger hervorbrachte, gelang es Autoren und Publikum, den Abend zu einem launigen Open-Stage-Moment umzumodeln.
Abendbericht: Franz Westner
Fotos: Simone Kayser