Sommerfest im MLb – Abendbericht vom 26. Juli 2024

„Mit dem täglichen Brot,… wälzte ich die Nachgeburt heran” – Das Sommerfest im MLB

„Bekannt wie bunte Hunde“

Die Autorin Christine Hoffmann öffnete mit ihrem Text „Annäherungen an den Vater“ den Abend. Ein Vater, der neben der Tochter die Hauptfigur ist, kein Familienvater, sondern ein Kommunist, ein Bekannter, der sich neben der Politik und leidenschaftlichen Obsessionen auch für gesellschaftliche Gegebenheiten interessierte. Einer, der im KZ war. Diese besonderen Umstände zerteilten nicht nur ein Eheleben, sondern verschränkten auch das Aufwachsen eines Mädchens, die sich im weiteren Verlauf – zudem es nicht mehr kam – dem Verborgenen stellt und den Vater mit den Ereignissen konfrontiert (Interview). Rückmeldungen gab es hier bezüglich der Textlänge, dem Angebot der Autorin, ihrem Schema und Aufbau, Figurenanzahl, Rückblenden und der Spannung durch das Interview sowie der Art der Annäherung an den Vater.

„Schreie, haben sich in Wände festgekrallt“

Eine kleine Patientin namens Janina schreit sich mit ihrem fahlen Gesicht und dunklen Augen in die Nächte. Mit „Schaman Nacht“ nahm der Autor Wolfram Hirche das Publikum mit in die Schreie, die sich in Wände festgekrallt haben. In plötzlicher Erscheinung wie die „Schlange der Hoffnung“ bewegte er sich, ein fremd auftauchender Schamane, in heilenden Bewegungen sodass ihre Schreie, die „wie Splitter in uns“ in „verebbte Worte“ übergingen. Als das Telefon klingelte und ihre Mutter an den Hörer ging, kündigte sich der Notarzt an, doch hierfür war es zu spät. Jahre danach, gab es keine Narbe, nichts, rein gar nichts, was sich an die nächtliche Erscheinung legen ließ, nur die Gitarre, die der Schamane in jener Nacht noch mitgehen lassen hat, die fehlte offenbar noch immer. Die Gedanken des Publikums verwoben sich in die konkreten Bilder des Autors, seine Szenen und den gesamten Erzählstrang der Geschichte, die Sprache sowie seine prägnanten Sätze und die Reihenfolge der Szene mit der Mutter.

Nach der sanften Brise durch Früchte und spritzige Getränke, laß nach der Pause der Autor Günter Mitschke seine beiden Texte „Stippvisite“ und „Ein bisschen Frieden“ vor. Darin bewegte sich die Hauptfigur auf dem Weg ins Heimatland. Vorbei an einem Spirituosenladen bis zu einem Gespräch im Zug kam hier die Auseinandersetzung mit der verbreitenden Freiheitsidee bis hin zur Identitätsfeststellung vor. Feedback gab es hier hinsichtlich der Lesegeschwindigkeit, des Humors, der Art der Prosa sowie die Konstruktion zu verschachtelten Sätzen. Auch wurde hier das Zeitmanagement des Abends aufgegriffen.

„Mit dem täglichen Brot, an dem wir aneinander versagen, wälzte ich die Nachgeburt heran“

Den Abend schloss der Autor Gill Zimmermann mit seinen Texten „Gedichte“ ab. Er bot dem Publikum gleich mehrere Texte, in denen nicht die Nachgeburt versagte, sondern das „wir aneinander“. Durch eine andere Art von künstlerischen Konstruktionen und einer leichten Mischung aus Fragen entfalteten sich seine Impulse wie:

„Warum kommst du nicht abends vorbei?“
„Wenn unsere Körper von Musik umspült sind“
„Im Docht unseres Zweiklanges“
„Lodert die Nacht“ und „verführte unser Gehör“
„In Sichtweise bleibt jedes Auge zugedrückt“
„Warum verweigerst du deinem Vogel den Meisenring?“
„Müssen die Kühe kohlen geschert sein“
„In einer kurzen Wickel am Morgen.“

Die Stimmen aus dem Publikum bezogen sich auf die Art des Vortrages, auf seine Inhalte und Wortbedeutungen, die lyrische Moderne und das Risiko der Angreifbarkeit der Texte. Auch eine Erweiterung an technischen Mitteln/Angeboten durch das MLb war Gegenstand der Gespräche.

Das Sommerfest, geprägt durch interessante Eindrücke und ein lebendiges Publikum, unterstrich mit seinem Ende auch gleichzeitig den Beginn der Sommerpause des Münchner Literaturbüros.

Abendbericht und Foto: Jannette Hofmann