Vermischte Splitter – Offener Abend am 2.10.2020

Da die „Offenen Abende“ in der Seidlvilla derzeit nicht zum gewohnten Termin am ersten Freitag des Monats stattfinden können, lud das Münchner Literaturbüro an diesem Tag vier Autoren zu einem „Bunten Abend“ ein.
Wolfram Hirche (auf dem Bild oben lesend, links Moderator Hans-Karl Fischer) las aus seiner Erzählung „Splitter“, in der immer wieder ein Luis auftaucht. Dieser Luis ist Straßenbahnfahrer und hat am markanten Beginn der Erzählung schon immer Lust gehabt, einen  Hund zusammenzufahren; im Jahr vor seiner Pension hat er das Glück, einem manisch-depressiven Hund zu begegnen.  So symbolträchtig dieser Anfang ist: im zweiten Abschnitt, in dem syrische Krieger auftauchen, wartet man vergeblich darauf, daß die „Splitter“ in die Metaphorik des Krieges eingebaut werden. Auch das, auf das Erwartete zu verzichten, könne ein Kunstmittel sein, wurde gesagt.

Danach las Andreas Wiehl (auf dem Bild lesend) mehrere Gedichte, unter denen das surrealistische mit dem Titel „Männer“ am meisten für Gesprächsstoff sorgte. Es wurden zwar die meisten Bilder gerühmt, auch der zunächst unmerkliche Zusammenhang zwischen ihnen; ein bemühter Unterton wurde jedoch deshalb festgestellt, weil zu viele Vergleiche mit „wie“ und keine elliptischen Wendungen in dem Text vorkamen.

Verena Liebers (auf dem Bild oben) war aus Bochum angereist, ist jedoch in München aufgewachsen. Sie las zum ersten Mal im Münchner Literaturbüro. Ihr Gedicht „Würmwunder“ sorgte dafür, daß die Diskussion zunächst in eine Geographiestunde auszuarten drohte. Nur langsam tastete sich das Publikum zu den formalen Kriterien der Gedichte vor. Das lag auch daran, daß der furiose Vortrag der Dichterin zunächst überwältigend gewirkt hatte: ein Einwand gegen ihn lautete dahin, daß man einen elegischen Text nicht auch noch begeisternd rezitieren dürfe.

Am Ende des Abends las Petra Scherzer (leider kein Bild) Gedichte vor. Das hauptsächliche Stilmittel ist ein doppeltes: daß sich die einzelnen Sätze immer wieder gegenseitig ins Wort fallen, zugleich mit ihnen auch Hoch- und Alltagssprache. Ein O-Ton entsteht. Ein Gefühl von Stärke und Ermutigung ergriff die Zuschauer angesichts dessen, daß die Dichterin „Gott“, worunter natürlich der Geliebte zu verstehen war, in einen Tanzkurs schicken wollte.

Bericht von Hans-Karl Fischer