Bronchitis und Todeskampf – Abendbericht vom 1. September 2023

Zum Saisonauftakt ein volles Haus und fünf  Autorinnen bzw. Autoren, die einem begeisterten Publikum ihre  Texte vorlasen. Als Sieger ging der MLB-Debütant Herbert Hollitzer nach Hause, der als Letzter drankam.

Zunächst las Stefan Priddy seine Kurzgeschichte „Eine Zimtschnecke für Frau Chang“, eines der seltenen Prosastücke aus dem Alltag der Arbeitswelt. Darin wurde die kleinwüchsige Chinesin Chang wegen einer unbezähmbaren Bronchitis von Kolleginnen und Kollegen gemobbt, bis sie endlich ein Gesundheitszeugnis vorlegte und als eine Art Entschädigung eine Zimtschnecke bekam – neben den arbeitsrechtlichen und medizinischen Problemen des Textes schien das Publikum von der Erzählform und Sprache nicht angetan. Der soziale Background wurde – anders als das vor 20, 30 Jahren noch gewesen wäre, nicht goutiert.

Christoph von Nostitz las in wohlgesetzten Worten einen Ausschnitt aus der längeren Erzählung mit dem vorläufigen Titel „Enge des Tals“, in der das Mädchen Viktoria als uneheliches „Kind der Sünde“ bei seiner überarbeiteten, alleinerziehenden Mutter in einem einsamen Haus im Walde aufwächst. Das Mädchen muss den Vater zweimal „vom Strick abschneiden“ und bekommt Anerkennung als Bedienung im nahen Gasthof. Ab und zu kommt ein Fremder vorbei, der sowohl Gefahr als auch Verlockung darstellt. Der Autor bekam dafür die zweitmeisten Punkte vom Publikum.

Elisabeth Huber las als absolute Debütantin aus ihrem Notizheft die handgeschriebene Story „Geisterfahrt“ vor, mit der sie großes Lob beim Publikum erntete. Die autobiographische Erzählung über die Pflege des Großvaters und die ständige Angst, dass ihm etwas passieren könnte, wurde als sehr bewegend aufgenommen, wenngleich mancher noch mehr über die Beweggründe der jungen Frau gewusst hätte. Auch diese Erzählung wird noch weiter gesponnen und dann – vielleicht, vielleicht im MLB vorgetragen werden.

Nach der Pause versuchte sich Petra Lang, ein Urgestein des MLB mit einer surrealen Story, aus welcher das Publikum den tieferen Sinn von „gemeinsamer Energie“ herauslesen konnte. Nach anfänglichem Widerwillen gegen die vielen fremden Menschen in der Stadt, entschlossen sich alle gemeinsam, die Rotation der Erde um sich selbst zum Stillstand zu bringen, indem sie millionenfach nach Westen liefen. Kontinente wurden überflutet, Tag und Nacht gestoppt und die allgemeine Vernetzung der Menschheit gefeiert.

Schließlich konnte ein weißhaariger Autor, der erstmals drei Texte aus seiner Jugendzeit vorlas, den Triumph des Sieges auskosten. Herbert Hollitzer begeisterte das Publikum schon mit seiner ersten Story „Leberfleck“, in der es darum geht, dass ein harmloser Fleck sich völlig überraschend als unheilbarer Krebs herausstellt und der Patient aus der Narkose nur noch aufwachen wird, um zu sterben.  Auch in der zweiten Story gings ums Sterben, während die dritte humorvoll den Wettstreit zwischen einer aufgemotzten Harley und einer zarten Vespa schildert. Voller Applaus für den Debütanten, den man noch öfter zu sehen hofft! Ihm gehörte der Abendsieg.

Abendbericht: Wolfram Hirche
Foto: Beppo Rohrhofer