Über die Natur lässt sich trefflich diskutieren. Vielleicht hat Bertolt Brecht recht, wenn er sagt: „Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte“. Das Bekenntnis zur Natur als Sehnsuchtsort war in jedem Fall eine der Diskussionsebenen beim 1. Themenabend des Münchner Literaturbüros.
Eine Autorin und vier Autoren hatten ihre Namen in die Box geworfen und ließen daraus einen gesprächsintensiven Abend werden. Walter Grassl eröffnete diesen mit seinem humorvoll-ernsten Text „Mensch und Natur“. Wir, das Springkraut der Erde, nähmen uns dabei viel zu ernst, während im Gegenzug die Natur „fair“ untereinander und miteinander umgehe. Dem folgte Peter Heinrichs mit dem Essay und der Frage: „Ist die Natur schön?“ Oder ist sie vielleicht schön dadurch, dass der Autor oder Künstler sie in eben dieser Hinsicht darstellt? Was uns Natur als „schön“ empfinden lässt, beantwortete er im Schlusssatz seines Essays selbst: „Natur ist Form gewordener Sinn!“. Apropos Sinn – den stellte Horst Oberbeil in seinen sieben Gedichten gekonnt in die zweite Reihe oder setzte ihn pointiert zwischen den Zeilen, so in „Entschleunigte Tage“ oder „Im Zenit des Sommers“. In präzisen, unaufgeregten Wortbildern ließ er die Facetten des Sommers in Mähdrescher- oder Anemonen- und Seerosen-„Perspektiven“ aufleben. Eine fast surreale (oder doch kafkaeske) Perspektive wählte dagegen Stefanie Höll für ihren Protagonisten in „Kopfüberhängen“. Aus Fledermaussicht wurde der Makel der Fremdheit aufgegriffen sowie die Sehnsucht nach Freiheit und Überleben – beides nur möglich durch die Überwindung des Kuchenbisses. Eine Frage des Überlebens auch als Grundlage in Herbert Hollitzers Prosatext „Naked Survival“. Wer die gleichnamige Fernsehserie kennt, weiß, wie schwer sich der heutige Mensch in der Wildnis zurechtfindet (Ist die Natur schön? In diesem Fall weniger!) Doch wenn sich alle Beteiligten zusammentun, gelingt auch dem heutigen Wohlstandsabenteurer ein erträgliches Überleben und Miteinander, was wieder einmal zeigt, dass der Einzelne ein egomanisches Auslaufmodell der Natur ist.
Nach jedem der Texte hatte das Publikum rege Lust an der Diskussion, hinterfragte, warf ein, ob Natur nicht doch auch hässlich und gewalttätig sei, wagte Ausflüge weit zurück in die Menschheitsgeschichte und hatte dabei ein sehr menschliches Vergnügen daran, den unterschiedlichen Ansätzen der Texte persönliche Noten mit auf den Weg zu geben.
Abendbericht und Moderation: Franz Westner
Fotos: Wolfram Hirche