Zu dem offenen Abend und zugleich der letzten Möglichkeit sich für das einen Tag später stattfindende Finale des 30. Haidhauser Werkstattpreis zu qualifizieren, war zwar eine ganze Reihe von Zuhörern erschienen, aber keine Autoren, die sich dem Wettbewerb stellen wollten. Zwei erschienene Zuhörer erklärten sich aber bereit aus ihren Texten zu lesen, damit ein literarischer Abend noch stattfinden konnte.
Den Anfang machte Günter Mitschke mit die Gegenwart und jüngere Vergangenheit hierzulande kritisch beleuchtenden Kurztexten und Gedichten. „Trautonium Traum“ führte die Zuhörer in das Spiegelkabinett des Dr. Caligari in dem im Spiegel nicht das Spiegelbild sondern eine Schar Vögel, die unangenehmen Krach von sich geben, erscheinen; im Kabinett erscheint dann noch ein gescheiterter Postkartenmaler mit Oberlippenbart und unangenehmer Stimme.
In „Kein Sommermärchen“ wurde der erfolglose Altwarenhändler Habermas von seinem erfolgreichen neuen Konkurrenten Luhmann zur Aufgabe seines Geschäfts gezwungen, bis auch Luhmanns Geschäft nicht mehr erfolgreich wurde und sein Geschäft mitsamt dem Gebäude, in dem es sich befindet und das abgerissen wird, verschwindet, da die Konsumenten immer nur am Neuesten interessiert sind und Altwaren, wie sie von Habermas und Luhmann angebotenen werten, verschmähen. Es folgten noch drei kurze Gedichte dieses Autors die wie die beiden Prosatexte positiven Anklang beim Publikum fanden, wenn auch einige eine deutlichere Beschreibung hinsichtlich Habermas` und Luhmanns Altwaren vermisste.
Nach der Pause trug Raimund Fellner das Kapitel „Normopathie“ aus seinem Roman „Lange Haare“ vor. Der Protagonist. Raimund fühlt sich unwohl im von ihm aufgenommenen Studium der Betriebswirtschaft angesichts des von ihm gesehenen gesellschaftlichen Zwangs für Absolventen dieses Fachs, im Beruf eine Business-Kleidung tragen zu müssen, wie er sich auch sonst an gesellschaftlichen Zwängen und sozialen Ritualen stört, so etwa wenn er, bei dem eine Schizophrenie diagnostiziert worden war, wieder seinen Nervenarzt aufsucht und dieser an den Angaben seines Patienten nur sehr beschränkt interessiert ist, während ihm die Hierarchie zwischen Arzt und Patient bereits durch die unterschiedliche Sitzhöhe von Arzt und Patient versinnbildlicht wird.
Das Publikum lobte teilweise die Erzählweise, bemängelte aber andererseits zu viel Erklärung und zu wenig szenische Darstellung.
Abendbericht: Rainer Kegel