Die Autorin Ulrike Schrimpf präsentierte ihren Roman “Lauter Ghosts“ (erschienen 2023 im Verlag Literatur Quickie), der in erster Linie beschreibt, wie sich eine Frau und ein Mann in der digitalen Welt kennenlernen und welchen Verlauf diese Beziehung nimmt. Der Text ist kunstvoll aus Chat-Beiträgen in einem sogenannten sozialen Netzwerk, den Inhalten der Seiten der beiden Protagonisten in diesem Netzwerk und den von beiden ausgetauschten privaten Nachrichten montiert. Es geriete deshalb zu kurz, das Ergebnis als „Briefroman“ zu benennen. Im gedruckten Buch werden die drei Textbereiche durch unterschiedliche Schrifttypen und die räumliche Anordnung des Textes transparent gemacht.
Als Lesepartner hatte die Autorin den Schauspieler Bijan Zamani, manchem vom Residenztheater bekannt, für eine „dialogische Lesung“ mitgebracht. Das Publikum erlebte einen professionellen, sehr anregenden Vortrag. „Wie ein Theaterstück“ kommentierte jemand. Den beiden gelang es, die drei Erzählebenen für das Publikum weitgehend unterscheidbar zu machen, beispielsweise, indem beide stets dann Hüte aufsetzten, wenn aus allen Richtungen – man denkt an den Chor der griechischen Tragödie – Kommentare ins Netz gestellt wurden, eine kreative und wirksame Methode.
In der Beurteilung der Sprache des Romans war sich das Publikum einig: der Wirklichkeit nachgebildet, so dass sich unflätige Einwortkommentare und Banalitäten mit poetischen, fast lyrischen Episoden abwechseln. Insgesamt eine erfrischende, kurzweilige, nie ermüdende Erzählweise, bei der auch die Komik nicht zu kurz kommt. Manche im stets kritischen MLB-Publikum haderten mit der Konsequenz der Erzählform, bei der auf jegliche auktoriale Kommentierung verzichtet werden muss und sich der Leser / Zuhörer aus den authentischen Textstücken und ihrer Reihenfolge selbst einen Reim machen muss.
Bericht: Philipp Stoll
Fotos: Susanne Görtz