Annäherungen, so hieß der Titel der autofiktionalen Autobiografie, die die Autorin Christine Hoffmann bei ihrer Lesung am 8.11.2024 vorstellte. Annäherungen in einem doppelten Sinn wurden dann bei dieser Lesung den Zuhörern präsentiert. Zunächst nach Sinnsprüchen ein sehr ausführliches Vorwort als Annäherung an den eigentlichen Text des Romanmanuskripts mit Angaben zur Entstehungsgeschichte und insbesondere dessen Inhalt. Das Publikum war hier überwiegend der Auffassung, dass dieses Vorwort eigentlich in dieser Form unnötig, jedenfalls zu lang sei.
Danach folgte tatsächlich Annäherungen an die Biografie der Autorin durch Szenen aus Kindheit und Jugend der Erzählerin, so zunächst einen Bericht über ein Gespräch mit den Vater der Erzählerin, den diese bis zu ihrem fünften Lebensjahr nur als gelegentlichen Gast erlebte und der als aktiver Kommunist in der Nazizeit im KZ und Zuchthaus gesessen hatte und auch nach den Zweiten Weltkrieg bis zum Verbot der KPD 1956 in dieser aktiv gewesen war, wobei nicht nur dies, sondern auch die Beziehung zur Mutter der Erzählerin und deren Anfänge Raum einnahmen. Verbunden war die Schilderung dieser Begegnung mit dem Vater mit der Darstellung psychischer Probleme, die diese Begegnung bei der Erzählerin, zu diesem Zeitpunkt Studentin, auslöste.
Es folgten Szenen aus der Kindheit der Erzählerin, so wie sie als Dreijährige von ihrer Mutter, die mit acht Kindern überfordert war, ausgeschimpft und dann ins Krankenhaus wegen Verdachts auf Meningitis gebracht und dort längere Zeit verbleiben musste, nachdem sie zuvor einen Ehestreit der Eltern mitbekommen hatte. Gefolgt vom Naturerlebnis der Dreijährigen im zeitigen Frühjahr.
Das Publikum fand die Texte hoch spannend, die Dialoge authentisch, stellte aber die Frage nach der Perspektive etwa des Textes über die Erzählerin als Dreijährige.
Es folgten weitere Kindheit und Jugend etwa über einen Aprilscherz 1949, einen Streit der Eltern wegen der Mitnahme der Erzählerin auf dem Motorrad bei einer Fahrt des Vaters als KPD-Funktionär zum Bodensee, die Einschulung der Erzählerin 1951, über die Rückkehr von Vater und älterer Schwester von den Weltjugendspielen aus Ostberlin, bei der die Mutter die für die Erzählerin mitgebrachten Geschenke heruntermacht, über den plötzlichen Tod des Schwagers unter merkwürdigen Umständen 1962 in der DDR. Schließlich über die Psychoanalyse der erwachsenen Erzählerin, ihrer Unzufriedenheit, die Ersatzfunktion des Therapeuten für den Vater und die Aufdeckung eines sexuellen Übergriffs des Vaters an der Erzählerin sowie einer inzestuösen Beziehung des Vaters mit der seinerzeit 22 jährigen älteren Lieblingsschwester der Erzählerin.
Das Publikum war äußerst angetan von diesen Szenen, der spannenden und sinnlichen, teils erschütternden Schilderung aus dem Leben.
Abendbericht: Rainer Kegel