Von Sturm und Drang und dem roten Faden Biedermeier – Abendbericht vom 18. April 2025

Zwei Teile bildeten den Abend mit Susanne Ellen Itschert – von Kurzessays zur „Demokratischen Kunst“ bis zur Erzählung „Hinterm Dom“ in der biedermeierlichen Welt von Frankfurt. Gemeinhin ist die Zeit des Biedermeiers als eine der Rückbesinnung auf das Private, das Wertebild der Familie und ein eher konservatives Gesellschaftsverständnis reduziert. Doch war diese Zeit nach dem Wiener Kongress tatsächlich alles andere als langweilig.

In ihrer Einführung aus dem kleinen Band „Demokratische Kunst“ suchte Susanne Ellen Itschert das Grundverständnis einer Zeit aufzubauen, in der bürgerliches Begehren, das Verlangen der Kunst nach einer neuen Öffentlichkeit sowie das Verständnis der medizinischen Versorgung und im Besonderen der sozialen Frage (Carl Ludwig Johann d´Ester) in das Bewusstsein der Gesellschaft rückten. D´Ester beteiligte sich u. a. an der Mitgründung der demokratischen Gesellschaft in Köln und wurde 1848 Mitglied der preußischen Nationalversammlung. Die Saat der Demokratie viel in diesen Jahren auf fruchtbaren Boden. Nicht ganz so fruchtbar erfassten die Kurzessays der Autorin das Verständnis des Publikums. Die Dichte der Essays, die sehr kurz angeschnittenen Verbindungen der Personen zu den (ebenfalls kurz angerissenen) gesellschaftlichen Entwicklungen machten es dem Publikum nicht leicht, Zusammenhänge nachzuvollziehen.

Dies gelang etwas besser mit der Erzählung über den jungen Maler Albert Louis Ulrich Hendschel. Dessen Vater war Verwalter des Post“monopolisten“ Thurn und Taxis. Auch der Sohn brachte sich im Unternehmen ein und setzte nach dem Tod des Vaters das 1844 begonnene Werk „Eisenbahn-Atlas von Deutschland, Belgien und Elsass“ bzw. „Hendschels Telegraph“, das erste deutsche Eisenbahnkursbuch, fort. Das Problem der damaligen Zeit: Die Entwicklung der Eisenbahn (die erste Bahnstrecke wurde zwischen Nürnberg und Fürth gebaut, bereits fünf Jahre später waren rund 500 km Schienen verlegt). Die Veränderungen der Gesellschaft, die Geschwindigkeit der Reisen wie der Übermittlung von Nachrichten durch den Telegrafen, die sich in dieser Zeit manifestierten, waren überwältigend – was den Herrschenden auch die Zensur erschwerte. Auch bei dieser Erzählung waren nicht wenige Bezugspunkte der Erzählung kurz angerissen. So wurde der Gedanke der Freiheit, der der Autorin wichtig war, vom Publikum nur bedingt nachvollzogen.

Literarisch und vom Publikum honoriert wurde die Erzählung „Hinterm Dom“, der die Geschichte der Kaufmannsfamilie Domer aufgriff. Hier schließt sich der Kreis, denn am Garküchenplatz 8 im Haus des Tuchhändlers und Senators Domer war niemand anderer als Albert Louis Ulrich Hendschel Mieter. (Nebenbei bemerkt, heiratete Hendschels Bruder Emil die Tochter des Hausherrn, Emilie Domer.) Die Geschichte berichtete über die Herbstmesse am Frankfurter Römerberg, der Erhebung von Pflastergeld von den Händlern und dem Vergnügen von Seifenkistenrennen.

Den Schlusspunkt bildete schließlich die Erzählung über die junge Minna Hendschel, die sich mit der Tochter des Turmvorstehers des Frankfurter Doms anfreundet. Bei einem Besuch in der Unterkunft des Turmvorstehers ganz oben im Turm macht sich der Geruch von Feuer breit (am 15. August 1867 brach nachts in der Müllerschen Bierwirtschaft ein Feuer aus und griff auf das Dach des Doms über). Beim Gedanken an die Flucht in Wäschekörben wechselte die Autorin die Erzählperspektive und beendet die Erzählung in der „Wir-Form“. Dieser Wechsel wurde als gelungener literarischer Kniff gelobt, der das Geschehen plastisch und lebendig enden ließ.

Abendbericht: Franz Westner
Foto: Beppo Rohrhofer