Am Freitag, den 31. Januar 2025 trug die Autorin Christine Hoffmann in Fortsetzung der Lesungen vom 26. Juli und 8. November 2024 aus ihrer autofiktionalen Autobiografie „Annäherungen“ vor. Das erzählte Geschehen warf dabei die Frage auf: Wie kommt eine kritisch denkende, politisch geprägte, psychologisch ausgebildete Frau dazu, plötzlich spirituelles Medium für ein ermordetes Mädchen zu werden.
Die Protagonistin lernt 1996, nachdem die Beziehung zum Partner zu Ende gegangen ist, in einem berufsbezogenen Arbeitskreis eine andere Frau kennen, Klara, deren damals 9-jährige Tochter Liane bei einem Campingurlaub am Mittelmeer beim Brombeerpflücken von einem anderen Urlauber vergewaltigt und ermordet wurde. Sie besucht Klara und deren Ehemann in ihrer Wohnung, an deren Wände großformatige Fotografien der Liane hängen und Klara berichtet über die seinerzeitigen Geschehnisse. Dies ruft bei der Erzählerin ein zunehmendes Gefühl der Identifikation mit Klara und Liane und deren Erlebnissen hervor, das sich verstärkt, nachdem die Protagonistin zum Schluss des Besuchs noch das frühere Zimmer der Liane besichtigt.
Wieder zu Hause angekommen, wacht sie nachts stündlich auf. Am 3. Tag spürt sie eine ungeheure Kraft auf sich zukommen, wird von Lianes Seelenenergie besetzt. Im Zeitungsbericht, den die Erzählerin findet, entdeckt sie durch die Aussagen des Mörders vor Gericht, das Verschmelzungserlebnis war das exakte Geschehen von Lianes Tötung. Das nächtliche Erwachen setzt sich in der Zeit danach immer weiter fort, sodass die Protagonistin, obwohl sie durch die nächtlichen Erlebnisse bei ihrer Arbeit in einer Beratungsstelle für misshandelte bzw. gefährdete Frauen kreativer mit spirituellen Gedanken ihrer Klientinnen umgehen kann, nachts Zettel um ihr Bett verteilt, in der Hoffnung, einen Schutzwall zu bewirken, und sich davor fürchtet, in der Nacht alleine zu sein. Sie sucht Rat bei einer spirituell erfahrenen Kollegin und will schließlich auswärts übernachten.
Die tote Liane meldet sich, ein rotes Energieflirren und Kribbeln im Kopf zeigt einen Kanal für Botschaften an. Ein Dialog mit der Seele Lianes entsteht: sie soll den Eltern, der Mutter eine Botschaft übermitteln: sie hätten Liane nicht geschützt. Sie befindet sich in einem Ausnahmezustand. Die Energie an ihrem Körper, die Kraft zerreißt ihre Hose.
Die Erzählerin sucht Hilfe bei einer ihr bekannten Psychologin und Geistheilerin, die ihr rät, die Seele Lianes zu trösten und zu verabschieden, was geschieht. Davor sollte jedoch eine Aussöhnung mit der eigenen, verstorbenen Mutter vollzogen werden, was sie als Abschiedsritual gestaltet. Die Übermittlung der Botschaft an Lianes Mutter findet statt.
Das Publikum fand die Geschichte spannend, gut aufgebaut auch mit einem eingestreuten Gedicht und trotz manchem Pathos insgesamt gelungen, störte sich aber an Unklarheiten infolge eingeschobener Passagen aus späterer Zeit.
Abendbericht: Rainer Kegel