Fließender Untergang – Abendbericht vom 2. Dezember 2022

Dritte Vorentscheidung zum 30. Haidhauser Werkstattpreis im Münchner Literaturbüro, Milchstraße 4 –  trotz nieseligem, eisigem  Novemberwetter hatten sich drei Autorinnen, zwei Autoren und viele Zuhörer zum Wettbewerb eingefunden, den Peter Asmodai mit seiner sehr kurzen Story „Festhalten“ gewann.

Doch zunächst eröffnete Cora Hubrich den Reigen mit handfester Lyrik, der sie den Titel „Herzlosigkeit“ mitgegeben hatte. Tatsächlich ging es in ihren Alltagsbildern über „Raser“, Lärm, Klinik und Arbeitsleben um die Frage, wie Menschen einander begegnen, wie sie Konflikte lösen und ob  nicht doch meistens der Stärkere einfach auch der Sieger ist.  – Eine klare Botschaft!

Ganz anders näherte sich Peter Asmodai in seinem surrealen Traumstück „Festhalten“ der Realität. In seiner Geschichte beobachtet das „ich“, wie gleichsam ein Laken mit zwei Gucklöchern über die Wirklichkeit geworfen wird, und der (rettende?) Schreibtisch mit „königsblauer Tinte“ auf jemanden, vermutlich den Autor selbst zutreibt, der sofort zu schreiben versucht. Das Publikum rätselte vergnügt über die vielen Bilder der Geschichte.

Die Autorin Rita Uckmann portraitierte in „Am Fenster“ eine melancholische Frau in mittleren Jahren, die vor allem zurück schaut auf ihre Kindheit, die Großmutter und eine langjährige Männerbekanntschaft namens „Gregor“, die vielleicht doch nicht so schlecht war, wie sie früher einmal gedacht hatte. Das Adverb „seltsam“ kam mehrmals vor und schien die distanzierte, gelassene Betrachtung ihres Lebens gut wiederzugeben.

Petra Lang wühlte gleich nach der kurzen Pause die Gemüter auf mit der Story „Findelkind“, in der sie aus der Ich-Perspektive im Präsens ein Kleinkind auf die heiße Herdplatte setzt, um die Folgen dieser Tat in einer Fülle von Tanten und Cousinen und ein oder zwei Onkeln zu ertränken. Die verzweifelte Suche des Kindes nach einer echten „Mutter“ bei all den Emilys, Luzias und Linas, wird auch von der Flucht von einem Lager zum anderen in der Nachkriegszeit als verborgene, tiefere Ebene verdeckt. Die Zuhörer waren vielleicht von der Fülle an Namen und Ereignissen auf engstem Sprachraum und der schrecklichen Herdplatte zu verstört, um der Autorin dieser biographischen Skizze den ersten Platz zu geben.

Lyrik bildete den Abschluss dieses literarischen Abends. Ein Autor, der unter dem klingenden Pseudonym Philipp Létranger auftrat, las seine Gedichtreihe „Untergang“, die überzeugende Bilder mit manchmal etwas sehr einfachen Erkenntnissen verwob. Das klang alles sehr nach Abschied und Finale, was aber doch auch vielen Zuhörern gefallen mochte. Es war ja auch gut formuliert.

Bei der abschließenden Abstimmung des Publikums bescherten dem Autor Peter Asmodai wohl die bildhafte Sprache, kurze, prägnante Sätze und die Chance Freudscher Traumdeutung den Abendsieg, der ihn für das Finale im nächsten Sommer qualifiziert.

Bericht: W. Hirche
Fotos: Beppo Rohrhofer