Bis auf den letzten Platz war das MLb bei dieser sechsten Qualifikationsrunde zum 31. Haidhauser Werkstattpreis besetzt, und es meldeten sich gleich neun Autorinnen und Autoren zum Lesen, von denen sechs, per Los ausgewählt, zum Zuge kamen.
Als erste Autorin betrat Gabriele Barbara Hartl die Bühne. Sie las 10 kurze, wortstarke Gedichte zu diversen Themen wie Sport, Bildbetrachtungen und Buchmesse bis hin zu Existenziellem wie Sterben und Tod. Das Publikum lobte die Gedichte als beeindruckend, kafkaesk und zum Weiterdenken anregend.
Auch der nächste Autor Lo Conosco war – entgegen seinem Pseudonym – so wie die Vorrednerin ein bisher Unbekannter im MLb. Das Gedicht „Der Ehrenkönig“, eine „Cover-Version von Goethes Erlkönig“, ritt die berühmte Vorlage entlang, mit hohem Wiedererkennungswert und gelungenen Neuinterpretationen. Conoscos zweites Gedicht „Auch nur ein Mensch“ variierte, mal dramatisch-pathetisch, mal witzig; teils im Prosastil und teils gereimt, das Osterthema „Leben durch Sterben zu erzwingen“. Das wiederkehrende Motiv des „Forsythiengelb und Himmelblau“ fand sich in den Szenen von der Urzeit, über den Dreh-und Angelpunkt der Zeit, sowie im Ukrainekrieg und beim profanen Osterbraten-Gelage, wo der Erzähler blau in den „Versüßchenstrauß“ starrt. Das Publikum dankte mit differenziertem Feedback, unter dem Einwand, dass die Inhalte bei zweitem Lesen in ihrer Vielschichtigkeit noch besser zu erfassen gewesen wären.
Gill Zimmermann, ein junger, im MLb ebenfalls bisher unbekannter Autor, las vier Gedichte, wobei der Autor auf Titel lieber verzichtet, „um den Gedichten nicht die Ambiguität zu nehmen“. Die sehr bildungssprachlichen, an klassischen Vorbildern geschulten Texte evozierten beim Publikum recht unterschiedliches Feedback. Von „zusammenhanglose Worthülsen“ bis „völlig begeistert“ war alles dabei. Mehrheitlich wurden die Musikalität, die ungewöhnlichen Metaphern und die melancholisch-gefühlvollen Bilder gelobt, die als sehr tief und stark empfunden wurden.
Nach der Pause ging es erneut mit Lyrik weiter, nun aber denkbar anders, mit Klaus Schusters „Vierzeilern“, humorvollen Kurzgedichten, die im vierten Vers jeweils eine überraschende, manchmal sarkastische Wendung nahmen. Entstanden waren die Gedichte mittels eines Spiels, in dem ein Wort vorgegeben wurde, wie z.B. Spiegel, Mona Lisa, trotzdem oder Herbstzeitlose. Das Publikum honorierte die „Gebrauchslyrik“ als erfrischend, geistreich pointiert, witzig und tiefsinnig zugleich.
Die nächste Autorin, Maria M. Koch, präsentierte drei Szenen aus ihrem Romanmanuskript „Das liebt nicht jeder“, in dem es um einen behinderten Jungen namens Benni geht. Mit sehr empathischem Blick lässt die Autorin in personaler Erzählhaltung Bennis Wahrnehmung und Erleben in bildhaft erzählten Alltagssituationen nachfühlen. Zudem eindrucksvoll vorgetragen.
Last not least – ja im Ergebnis sogar last, but first – präsentierte die Autorin Anke Lau ambitioniert, in Poetry-Slam-Manier ihr Stück „Leben 2.0“, das davon erzählt, wie es in der modernen Medizin so abläuft vom „Sie haben da was“ bis zum glücklichen Ende des „Friede, Freude, Eierstock“. Ernstes Thema – wortakrobatisch, punkig, lyrisch, ironisch, makaber, lebendig präsentiert und dabei auch tröstlich.
Anke Lau erreichte in der folgenden Abstimmung den ersten Platz, vor Klaus Schuster (2. Platz) und Maria M. Koch (3. Platz).
Insgesamt ein geistreicher, interessanter Abend mit vielen neuen Autorinnen und Autoren, von denen wir gern mehr hören würden.
Abendbericht: Simone Kayser
Fotos: Simone Kayser, Jannette Hofmann