Reales und Imaginiertes – Abendbericht vom 12. April 2024

Am Freitag, den 12. April 2024 präsentierte der Autor Ulrich Schäfer-Newiger vier fantastische Erzählungen, die der Autor als Übungsstücke erzählender Prosa angekündigt hatte. Es zeigte sich, dass es sich durchweg um sehr gelungene Prosastücke handelte.

Im ersten Text “Der Schlaflose” kommt jemand zurück in sein Hotelzimmer, legt sich schlafen und hat danach den vorangegangenen Abend vergessen. Erst als ihm jemand auf der Fraunhoferstraße wieder begegnet, erinnert er sich: An Lissabon, an eine ehemalige Fabrikhalle unter der Hängebrücke mit einer großen alten Maschine, umgewandelt in eine riesige Buchhandlung mit den Wänden voller Bücher und einem Café auf einem Umgang und an den Mann, der sich ihm im Café, als er mithilfe des Google-Übersetzers versucht, Gedichte aus dem von ihm gerade erworbenen Lyrikband eines ihm unbekannten portugiesischen Autor zu verstehen, an seinen Tisch ihm gegenüber setzt.

Sein gegenüber gleicht ihm nicht nur bis aufs Haar, sondern ist auch identisch gekleidet. Der Protagonist versucht sich vergeblich an einer rationalen Erklärung nach dem Auftreten des anderen. Ein Spiegel, ein angeheuerter Schauspieler oder die Quantenmechanik löst das Rätsel aber nicht, ebenso wenig die Unterhaltung mit dem Alten Ego über Schlaflosigkeit und anderes.

Das Publikum lobte die spannende Geschichte, die manchen an Jose Luis Borges erinnerte, manche fanden allerdings einzelne Worte im Text unpassend.

Auch die folgende Erzählung “Eine Wartburgphantasie” in der ein imaginierter Martin Luther in seiner Studierstube auf der Wartburg, die er gelegentlich für Austritte verläßt, sich mit der Bibelübersetzung abmüht und vom Teufel versucht wird, gegen den er sich nach Kräften wehrt, wobei der der ganze Spuk endet, als eine Besuchergruppe mit Handys eintritt, wurde vom Publikum goutiert.

Im nächsten Text “Das fremde Schiff”, erzählt aus der Perspektive des Rudergängers, gerät ein Schiff in einem Sturm und sehr schwere See. Der “Alte”, der Kapitän wird geholt und kommandiert herum, als am Horizont plötzlich ein anderes Schiff auftaucht, zunächst als möglicher Fischkutter eingeschätzt, zeigt es sich dann als ausgewachsenes Motorschiff. Das Schiff des Protagonisten nimmt Kurs auf jenes, das verlassen scheint, als dort auf Deck ein Mann im Überlebensanzug ins Meer springt. Einige Matrosen wollen versuchen, den Mann zu retten, der “Alte” verbietet dies aber entschieden, weil es unmöglich sei und das eigene Schiff gefährden würde. Zum Schluss legt der Kapitän sanft seine Hand auf die Schulter des Rudergängers.

Der Text war für einige im Publikum wegen der Verwendung nautischer Ausdrücke schwer verständlich.

In “An den Ufern des Nils” schließlich befindet sich ein Tourist auf der Hotelterrasse und will den Sonnenuntergang  betrachten, als ein Mann im Kaftan unaufgefordert auftaucht und ihn fragt, ob er an Gott glaube. Der Tourist, der meint, der andere wolle ihm etwas verkaufen oder für irgendwelche Dienst Bakschisch haben, antwortet barsch. Der andere zeigt sich aber hartnäckig und erklärt, er habe zwei Berufe, morgens sei er Bauingenieur, was er in Hannover studiert habe, am Abend Händler und Flaneur sowie Menschenfreund, der Tourist habe noch nicht einmal die Altstadt gesehen, da er in großem Bogen um diese herum nach Karnak gefahren sei und will den Touristen unbedingt zu einer Moschee führen.

Das Publikum lobte den Text als eine großartige Erzählung über Erfahrungen von Touristen im Ausland.

Abendbericht: Rainer Kegel
Foto: Jannette Hofmann