Jagdszenen, Natur und Frust – Abendbericht vom 1. Dezember 2023

Trotz des starken Schneefalls hatten sich zum offenen Abend am 1. Dezember 2023 fünf Autorinnen und Autoren eingefunden, die ihre Texte dem Publikum präsentierten.

Den Anfang machte Tanja Wagner mit dem Gedicht “Die Taube” einer Ballade über eine Taube, die sich aufs Gleis begibt, um den Kadaver einer Artgenossin zu fressen, bis sie dann selbst vom Zug überrollt und getötet wird. Das Publikum lobte die Originalität und den durchgängigen Rhythmus des Gerichts.

Sodann trug Günther Mitschke drei Kurzgeschichten vor, zunächst “Last Exit“, einen Bericht über eine literarische Veranstaltung 2038 in einer dystopischen Umgebung gekennzeichnet durch Massenelend, Wohnungsverlust, Lebensmittelrationierung und Luftkrieg, gefolgt von einer Geschichte über einen Stammtisch und dann dem Text “Paraamnesie”, in dem sich nach einem Klinikaufenthalt jemand an seine Jugend erinnert in der er mit einer Frau einen Teich aufgesucht und dort den von der Frau hinein geworfenen Ring  hochgeholt hatte.

Ulrich Brauns Kurzgeschichte “Die Witwe Erna Masuch” führte sodann das Publikum in eine masurische Kleinstadt am 10. November 1938, ein ABC-Schütze begibt sich auf seinen Schulweg, während zwei SA-Männer Jagd auf zwei jüdische Kinder, die dem Hause der Witwe Zuflucht finden, wobei die Erna Masuch den noch sehr jungen SA-Männern deutlich ihre Meinung über ungehöriges Verhalten sagt, während der Protagonist auf seinem Schulweg auch an der ausgebrannten Synagoge und einem Geschäft mit eingeschlagenem Schaufenster vorbeikommt. Das Publikum lobte den detailreichen und auch sprachlich überzeugenden Text

Bei dem nachfolgenden Beitrag von Pauline Kargruber “Auf geht`s Südtirol “erzählt die Protagonistin zwei Freundinnen über einen Urlaub in Südtirol, über das Wandern im Wald, das Finden und Sammeln von Pilzen und dann von einem feierlichen Begräbnis unter Anteilnahme der gesamten Dorfbevölkerung mit einem vom Pferd gezogenen Leichenwagen. Das Publikum lobte die sehr lebendige Sprache und den Rhythmus des Textes.

Zuletzt  präsentierte Paul Holzreiter mit “Feanseen“ eine Geschichte über ein kleines Mädchen, das mit dem Freund ihrer Mutter zu einem Zoobesuch mit der U-Bahn unterwegs ist, und sich im U-Bahnhof wütend auf den Boden wirft, weil sie wegen der herannahenden U-Bahn von der Bahnsteigkante weggezogen wird und damit nicht mehr den Großbildschirm in der Station mit den dort gezeigten bewegten Bildern ansehen kann. Dass Publikum fand die kindliche Perspektive gut getroffen, fragte teils aber nach dem Sinn der Geschichte.

Das Publikum wählte Ulrich Braun zum Tagessieger und Kandidaten für das Finale das Haidhauser Werkstattpreises.

Bericht: Rainer Kegel
Foto: Jannette Hofmann