Die chinesische Autorin Shi Mei, seit 1990 in Deutschland, lebt in Herrsching am Ammersee. Sie stellte fünf Kurzprosastücke vor.
Im ersten Teil „Der Hörndlweg“ geht es um eine Wanderung von Herrsching nach Andechs, auf dem sie ihre landschaftlichen Eindrücke und Gedanken schildert, die sie für den Glauben an Gott erwärmen im Gegensatz zum Verbot jeglicher religiöser Betätigung in China.
Die zweite Geschichte erzählt von ihrer Geburt, der Kindheit und dem Schicksal ihres Vaters, der als Konterkommunist wegen des Besitzes einer Bibel verfolgt und nach Aufdeckung seiner Flucht erschossen wurde.
Danach folgte „Chinesische Schriftzeichen“, ein kurzer Bericht über eine Freundin, die Becher, Gläser und Kleidungsstücke mit chinesischen Schriftzeichen sammelt und einen Freund hatte, der ihr kaligraphische Zeichen auf Rücken, Bein und Po malte und ihr beim Abschied drei Schriftzeichen hinterließ mit der Bedeutung: Ich hasse dich.
Die vierte Geschichte handelte von einer Frau, die von ihren Söhnen zum 60.Geburtstag als Geschenk einen Sarg erhielt, der noch zu Lebenszeiten der Frau an den Sohn des Nachbarn verkauft wurde, weil dieser ihn wegen des Todes seines Vaters nötiger brauchte.
Die letzte Geschichte handelt von chinesischen Verzehrgewohnheiten, wie Gerichten mit Hundefleisch in der Nudelsuppe. „In China, so die Autorin, isst man alles, was vier Beine hat und schwimmt.“
Die Lesung regte das Publikum zu einer lebhaften Diskussion an über chinesische Sitten und Gebräuche im Unterschied zur westlichen Kultur.
In der zweiten autobiographischen Geschichte vermisste man Erlebnisse der Schul- und Jugendzeit der Autorin. Des Weiteren entspann sich ein reges Gespräch über die Frage, ob man die in China gebräuchliche Vermeidung von Personalpronomina im deutschen Sprachgebrauch folgenlos übernehmen darf. Das Publikum war hierzu geteilter Meinung.
Ein kurzweiliger und diskussionsreicher Abend ging zu Ende, der manchmal getrübt wurde durch die zu leise und schnelle Sprechweise der Autorin.
Bericht von Horst Oberbeil