Erkenntnis, Corona und der ganz normale Wahnsinn – Bericht über das Finale des Haidhauser Werkstattpreises vom 11.9.2022

Das Finale des diesjährigen, des 29. Haidhauser Werkstattpreises gewann Paul Holzreiter mit „Der Mo bin i“ einer philosophischen Erzählung, in der ein Erzähler namens Karl Popper über drei Männer auf Reisen in Schottland und die Möglichkeiten, Schlüsse aus der Beobachtung eines – möglicherweise nur auf einer Seite – schwarzen Schafes zu ziehen, berichtet.

Knapp zweiter wurde Gerhard Häusler mit „Revolution der Liebe“, einem gedankensprühendes Potpourri mit Texten wie „Lebenskuchen“, „das Mädchen und der Tod“ und Aussagen wie, dass es im Bayern jetzt mehr Polizei als Hummeln gibt, gerade auch zu Themen wie Krieg, Armut und Depression.

An dritter Stelle lag Philipp Stoll mit einer komischen Geschichte „Brief an eine Friseurin“. Sein Held ersehnte sich inmitten der ersten Corona-Welle (ja, endlich eine Corona-Story!) als schwer leidender Ehemann eine zarte, „finanziell unabhängige“ Friseuse (welch eine Illusion!) mit drei Kindern, die alle seine dubiosen Wünsche erfüllen könnte. Ob sie ihm je den erwünschten „Dämmerungstermin“ auf Knien gewähren würde, blieb offen.

Es folgten Tania Rupel Tera und Beate Weinkauf, erstere mit „Wann kommst du wieder“ über einen Besuch der Protagonistin bei ihrem verwitweten Vater im Altersheim. Von nebenan ertönten Schreie, an die „er sich schon gewöhnt“ hatte, aber auch Musik. Und mit bulgarischer Lyrik erkennt die Besucherin, dass der Vater bei aller Veränderung im Kern doch noch der selbe geblieben ist. Beate Weinkauf trug unter dem Titel „ Limonade und Schminke“ eine Jugend-Story vor, die das Publikum hinein in die Welt zweier Familien auf dem Lande führte. Die Töchter mögen einander, sind eifersüchtig, enttäuscht und werden von sehr seltsamen Vätern bewacht. Sie radeln über „die Käffer“, um sich zu besuchen, und sie treffen einander nach Jahrzehnten wieder, um Rechenschaft zu verlangen.

Franc Beno las mit „In diesen Zeiten“ eine Story vor, in der der Arzt Aldo die erste italienische Coronawelle durchlebt. Als er seine Schwägerin auf der Corona-Station entdeckt, vertauscht er in höchster Not ihr Bett unbemerkt mit dem einer anderen Patientin, die an dem lebensrettenden Sauerstoffgerät hängt. Es ist klar, dass diese sterben wird, die Verwandte aber überlebt.

Knapp dahinter lag Ulf Großmann mit einer „Weihnachtsgeschichte“, in der ein Zwangsneurotiker, an jedem zweiten Weihnachtsfeiertag einen bürokratischen Plan für die Auswahl, Beschaffung und Lieferung der Weihnachtsgeschenke im folgenden Jahr entwirft und diesen im Laufe des Jahres umsetzt.

Außerdem las Annette Katharina Müller, die mit „Die Spieluhr“ in ein Antiquariat, zu Kindheitserinnerungen, auch über den tragischen Tod eines Spielgefährten und Abendlied „Guten Abend, gute Nacht…“ führte.

Abendbericht von Rainer Kegel

Fotos von Susanne Görtz