Plachandern im MLb – Abendbericht vom 9. Februar 2024

Wer nicht da war, hat etwas verpasst. Ulrich Braun, Ethiker und Pastor, las aus seinem Romanentwurf „Immerzu Abschied“. Erinnerungen an Lötzen in Masuren. Erinnerungen an Leben, Vertreibung und Flucht. Erinnerungen des Vaters des Erzählers und des Erzählers selbst. Gekonnt literarisch formuliert und aus wechselnden Perspektiven bildhaft erzählt.
Anfang Januar 1945. Der Großvater, Offizier aus einer alten Offiziersfamilie, eröffnet seiner Frau, daß er sich jetzt, eventuell für lange Zeit, oder auch für immer, von der Familie verabschieden muß. Die Russen seien nicht mehr aufzuhalten, der Krieg verloren, Ostpreußen nicht mehr sicher. Der Junge hört das Gespräch mit und hört auch, daß der Vater eine Pistole an die Mutter aushändigt. Die Familie mußte fliehen. In Rückblenden erzählt der Autor aus Erinnerungen seines Vaters, der als Kind Kriegshelden und den Führer verehrte. Dessen Großvater, der Offizier, war enttäuscht über das misslungene Attentat auf den Führer. Aus welchen Gründen auch immer. Im August 2011 und später nochmal, machen Vater und Sohn, anläßlich des 80sten Geburtstages des Vaters, eine Reise nach Lötzen. Dabei führt sie der Weg, unter anderem, an das kaum mehr erkennbare Grab des „Jungen Leutnants 1919-1941“. Auf dem Friedhof hat sich die Natur über die Gräber hergemacht. An dieser Stelle, aber auch an anderen Stellen des Romans wird klar, daß soldatisches Heldentum und nationale Heldenverehrung katastrophale Folgen haben.

Im Roman geht es aber nicht nur um die Flucht und Vertreibung, sondern auch darum, wie der Autor die Geschichten seines Vaters und seiner Verwandten von Masuren – dem Paradies wie sie es nannten – erzählt bekam. Das beschreibt er eindrucksvoll im Kapitel „Die Sonntage meiner Kindheit 1969-1973“. Die Pastorenfamiie lebte nach der Flucht in Gifhorn. Es waren immer Verwandte und Bekannte oder Gottesdienstbesucher, aus Masuren gebürtig, Gäste der Familie. Man schwelgte in Erinnerungen, in deftiger Hausmannskost und ärgerte sich über Willy Brandt. Hier war die Sprache ostpreussisch und manchmal sicher auch revanchistisch. Was sie im Roman aber überhaupt nicht ist. Und das ist gut so. Wie übrigens der gesamte Abend im MLB. Es wurde ausgiebig plachandert. Chapeau!

Plachandern: schwatzen, plaudern, sich unterhalten

Abendbericht: Beppo Rohrhofer
Foto: Franz Westner