Elisabeth Lösl las, wie angekündigt Kurzgeschichten und zwar unter dem Motto „Plauderei mit Stühlen“
Jedenfalls vordergründig wurden daher 10 Texte sowie auch noch eine Zugabe aus der Perspektive von Stühlen und anderen Sitzgelegenheiten erzählt.
Es begann mit Betrachtungen eines Stuhls in einem Lokal über das Publikum dort und dem Bericht einer Liege in einer Arztpraxis, die ausrangiert und in einen Abstellraum voll mit anderen Sitzgelegenheiten verbracht wird, wo diese verschiedenen Sitzgelegenheiten einschließlich einer Wiege sich Geschichten erzählen. Diese Geschichten umfassten, unterbrochen von drei kurzen Intermezzi, neben mehr philosophischen Betrachtungen, wie dem ersten Wort bei Säuglingen, insbesondere kurze anekdotische Erzählungen. Einige von diesen wiesen einen recht deutlichen Bezug zur Biografie der Autorin auf, die als Kind einer deutschstämmigen Familie in Polen geboren, 1962 mit ihrer Familie nach Oberbayern übersiedelte und dort zunächst die deutsche Sprache erlernen musste. So erzählte eine Schulbank von den Schwierigkeiten des auf ihr sitzenden Mädchens, das als Fremde in eine Schulklasse kommt, ohne die Sprache zu sprechen, und sich einen Dezimalcode für die wichtigsten Wörter in jeder Sprache ausdenkt, während eine andere Geschichte davon handelt, wie die Nachbarn in einem Wohnhaus im Polen der Sechzigerjahre gemeinsam Radio Freies Europa hören.
In weiteren Geschichten ging es etwa darum, wie eine junge Frau in der überfüllten Straßenbahn einem älteren Herrn versehentlich auf den Fuß tritt oder wie in einer Kleinstadt ein Italiener die erste Eisdiele eröffnet und ein junges Mädchen darauf „eissüchtig“ wird.
Diskutiert wurde inwieweit die Geschichten tatsächlich glaubhaft aus einer Perspektive einer Sitzgelegenheit erzählt waren, vereinzelt wurde in der Diskussion bei einzelnen Geschichten etwas mehr Tiefgang vermisst, überwiegend aber bewerteten die Diskutanten aus dem Publikum die Kurztexte als gelungene Kurzgeschichten, wobei daran die Tatsache, das die Erzählperspektive jedenfalls bei einigen der Texte eher die eines sich erinnernden Kindes gewesen ist, keinen Abbruch tut.
Die Lesung dauerte mit einem Nachschlag insgesamt rund 2 Stunden, wobei keiner von den Zoom-Teilnehmern vorzeitig absprang.
Abendbericht von Rainer Kegel