Räume, Türme, Trommeln – Bericht vom 8.4.2022

Die wenigen und dafür umso interessierteren Besucher bekamen von der Autorin Susanne Itschert Texte zu Gehör gebracht, die diese als Berichte verstanden wissen wollte. Sie würden sich im weitesten Sinne mit „Materie“ beschäftigen und mit Räumen.

Betitelt waren sie mit „Kanarische Inseln“, „Afrika“, „Orient“, „Indien“ und „China“. Am ehesten passte die Bezeichnung ‚Bericht‘ noch auf den Text, der sich mit Türmen auf den Kanarischen Inseln beschäftigte und daran anschließend mit Mutmaßungen über die frühe Besiedlung der Insel. Hier erfuhren die Zuhörer nämlich etwas über äußerliche Aktivitäten der Autorin, vom Zeichnen von Türmen, dem Bestellen eines Croissants in einem Café, von einem Ausflug auf die westliche Seite der Insel (Lanzarote) mit prägnanten Ecken, usw. Das alles blieb freilich äußerlich. Geprägt wurde der Text von Informationshäppchen und Mutmaßungen über die Geschichte der Besiedlung der Insel. Die Urbevölkerung, die Guanchen wurden u.a. erwähnt, die Westgoten, die Römer, ein König Yuba von Mauretanien, Karthago, die Berber. Zum Teil tauchte hier schon die später durchgehend verwendete rhetorische Figur des Fragestellens, ohne darauf eine Antwort zu liefern, auf: Wieso in aller Welt, hat man hier schon die Konstruktion eines Hutes vorgefunden?

Im zweiten vorgetragenen Text, „Afrika“, tauchte die Autorin selbst nicht mehr als Wahrnehmende, Beobachtende, Schreibende auf, sondern verschwand gänzlich hinter einem abstrakten, behauptenden Text über die Dimensionen des Trommelns für die Wahrnehmung, die Orientierung im Raum usw. Sie wollte wohl in traditionellen afrikanischen Kommunikationsformen den Ursprung der Kunst der Avantgarde erkennen. ‚Wohl‘ soll heißen, dass die bis dahin gehörten und auch die nachfolgenden Texte nach Meinung des Rezensenten den in der Ankündigung formulierten Anspruch, eine „Archäologie der ethnologischen Gewohnheiten“ darzubieten, nicht einzulösen vermochten.

In der Diskussion wurde vor allem kritisiert, dass die Autorin, obwohl sie offenbar nur in einem afrikanischen Land (Ghana) sich aufgehalten hatte, verallgemeinernde, undifferenzierte Äußerungen vortrug, wie der afrikanische Mensch, der verwestliche Mensch usw. Auch ein unsorgfältiger Wort- und Sprachgebrauch wurde moniert, z.B. viel zu lange Sätze, die das unmittelbare Verständnis des Gehörten erheblich erschwerten.

Der Text „Orient“ beschäftigte sich mit den Pyramiden der Ägypter und Mayas im Wesentlichen mit Hilfe der erwähnten Figur des Fragens ohne konkrete Antworten zu geben, auch wenn eine geometrische Beschreibung der gängigen Grundstruktur einer Pyramide erfolgte.

Die mit „Indien“ und „China“ überschriebenen Texte schließlich zeigten die gleiche Struktur: Belehrende Allgemeinbeschreibungen (Die Menschen trinken dort Tee und huldigen vielen Raffinessen – Indien, China gehört zu den größten Ländern der Welt). Im chinesischen Text griff die Autorin noch einmal den eingangs betonten Topos des „Raumes“ auf und meinte, in der chinesischen Zeichenkunst dafür einen adäquaten Ausdruck zu erkennen.

In der Schlussdiskussion wurde die besondere Problematik dieser Art von Texten hervorgehoben: Was wollen die Texte? Was will die Autorin? Es wurde die Meinung geäußert, ein mehr literarischer Charakter solcher kunstgeschichtlicher Darstellungsversuche wäre dem Gegenstand vielleicht angemessener. Weil er dann lebendiger erschiene, verständiger und sorgfältiger bearbeitet. Insofern war auch diese Lesung wieder lehrreich, bereichernd und schärfte das Bewusstsein für die – ggf. fehlende – Literalität eines Textes.

Abendbericht von USN