„Nur wenn ich berührt bin, kann ich andere berühren“, sagt Vera Botterbusch, und diesen Anspruch gießt sie in ihre Texte, die sie in Prosa und Gedichten vorträgt. Beginnend mit einer „Kleinen Philosophie des Alltags“, der sich vom Einladen (Was heißt Einladen? Wen einladen?) treiben lässt, dabei zwischendurch einen Schwenk über Hundehäufchen im Park macht und dann wieder zur Frage zurückkehrt, „Warum überhaupt einladen?“, lässt sich bereits erkennen, dass Autorin und Publikum nicht immer das gleiche Verstehen haben. Dies wird auch in den beiden kurzen Skizzen zu Griechenland spürbar, welche eine bewegte Diskussion aufwerfen, ob die Protagonisten (z.B. Iphigenia) – wie vom Publikum vermutet – eine Adaption zur griechischen Mythologie aufweisen, oder – wie die Autorin erklärt – aktuellen Ursprungs sind und mit der Mythologie nichts gemein haben. Es geht schließlich um Katzen, die mit der griechischen Mythologie nichts am Hut haben, Iphigenia hin oder her: schade dabei, dass die bilderreiche und poetische Sprache der beiden Skizzen unter den Tisch fällt, denn darin wissen sie zu überzeugen und zeigen, dass die Autorin in ihren Griechenlandreisen viel Lokalkolorit aufgenommen hat.
Besonders deutlich wird dies in der Erzählung „Taverna Manolis“, die aus der Perspektive einer Taverne an einem malerischen griechischen Dorf oder Städtchen das dortige Leben skizziert. So nimmt z.B. ein Mann einen Sessel, setzt sich auf die Straße und bleibt dort, auch nachdem die Familie Manolis bereits nach Hause gefahren und die Taverne geschlossen ist. Eine junge Frau stelzt mit bedeutungsvoller Langweile über den Platz und kehrt, nachdem sie nicht die erhoffte Aufmerksamkeit gewinnt, mit gleicher Langeweile zurück. Diese und andere wenig bedeutsame Ereignisse prägen die Handlungen und erzählen doch viel mehr über die Taverne Manolis, in der alles noch frisch von Hand gemacht wird, über das Dorf und seine Bewohner, die langsamen Veränderungen über die Jahrzehnte. So ist die Geschichte eine Liebeserklärung an etwas, das unaufhaltsam zu verschwinden droht. Wer zu Manolis kommt, liebt das einfache Leben!
Im zweiten Teil des Abends trägt die Autorin Gedichte aus ihrem aktuellen Gedichtband „Im Takt der Gefühle oder Mein blauer Gedanke“ vor. Gaben die Prosatexte Projektionsfläche für unterschiedliche Auslegungen, gefielen die Gedichte auch dem Publikum ausnahmslos. So kam weniger Diskussion auf, dafür reichlich Zustimmung zu Formulierungen wie „Zyklopen … die mit leerem Auge aus leeren Höhlen starren“ oder „… mein blaues Schiff folgt dem Kuckucksruf …“, oder „… Faun tanzt rote Arabesken in den Himmel …“. Wie Vera Botterbusch für sich in Anspruch nimmt, berührten die Texte und vereinten Sprachvermögen, Empathie und Tiefe, ohne dabei „schwer“ und verkünstelt zu sein. Fazit: Ein zwar recht langer Abend – aber mit Kritik, Applaus und Zustimmung und somit ganz mlb-like.
Abendbericht: Franz Westner