Schatzsuche von Schengen bis zur hypochondrischen Grönlandflucht – Lesung am 15.2.2019

Bei der 1933. Freitagslesung im MLb stellte Jens Rohrer seine Texte vor. Der Guerilla-Literat aus Ingolstadt, präsentiert schon mal seine Texte unangekündigt in einer Nordsee-Filiale, einem Krankenhaus oder einem Spirituosenladen.

Die im trockenen Humor geschriebenen, bis klar skurril und grotesken Kurzgeschichten, erzählen von absurden Situationen, die harmlos beginnen.

In der literarischen Umsetzung heißt dies bei Rohrer eine durchgehende Ich-Erzählweise – nein, Stop: Gleich in der 1. Story „Schengen“ wird der Perspektivwechsel angekündigt, der Leser/Hörer vorgewarnt, und der Autor schob die auktoriale Perspektive über das seinerseitige Befinden eines Braunbären ein, der den Erzähler in den Karpaten „stellt“, was nach Tradition des MLb in der anschließenden Diskussion die Frage nach der Notwendigkeit des Einschubs aufwarf.

Was die Grenzen und Arten des Humors betrifft, wurde dies nach der Story „Alte Liebe“ zur Sprache gebracht. Schließlich ging es um allzu große Anhänglichkeit zweier Seniorinnen in einem Heim an einen Mitbewohner, was mit viel Humor – Comedyeffekten? Kalauern? – beschrieben wurde und in einem Granny-Fight, wie es die Knallerfrauen in einem Sketch nicht besser hätte zeigen können, endete. Klar, nicht jedermanns Geschmack. Das Thema ist ernst, aber vielleicht in Skurrilität gebettet erträglich?

Ungewohnt stimmungsvoll mit längeren Orts-/Landschafts- bzw. Klimabeschreibungen zu Beginn, brechen zwei weitere Stores aus dem „Achtung-jetzt-kommt-Witz-Modus“ aus: „Katzansakis“ spielt in Griechenland, und das Publikum bescheinigte, hier wurde das Spiel mit Klischees richtig gesetzt.

Die kafkaeske Verwandlung des Erzählers in eine Amsel kraft eines Zaubermeisenknödels kam ebenso unaufgeregt zu Anfang daher, galoppiert jedoch dafür bei den ersten Federn, die aus dem Kopf wachsen, umso schneller im Absurden dahin.

Auch die weiteren Stories unterhielten im besten Sinne das Publikum. So hat in „Einfluss am Abfluss“ der häusliche Held mit seinen Vorurteilen zu tun. Nach Meinung des Publikums hat die Story einen Erzählaufbau, der gut dafür sorgt, dass stets die Aufmerksamkeit erhalten bleibt.

Nicht ganz so glatt fand man dies bei „An die Nieren“, worin ein Hypochonder sein kompliziertes Streben nach Keimfreiheit erklärt, was ihn u. a. an eine Flucht nach Grönland denken lässt, und ein Hausverbot bei diversen Ärzten beschert.

Schließlich führte der Autor die Zuhörer zu einer illusionären Goldsuche in den Schweizer Abwasserkanälen, nebst Esel und Satteltaschen, was in völliger Unbedarftheit des Helden erzählt wurde, der wenigstens mit dem Fund einer Rolex im Schlamm belohnt wird, jedoch – das Absurde lässt kräftig grüßen – sofort von einem Nilkrokodil gefressen wird.

Solche Effekte von Schlussakzenten müssen natürlich vorbereitet werden, waren sie (M.d.A.), aber bergen die Gefahr, als allzu slapstickhaft angesehen zu werden, wie hierzu am Abend bemerkt wurde.

Um die Texte in eine Gattung einzugrenzen, was im humoristischen Schreibwerk nicht immer einfach ist, wurde in Vergleichen zu E. Kishon und dem Fernseh-Slam-Poeten Torsten Sträter gesprochen, aber auch die Känguru-Apokryphen von Marc-Uwe Kling fallen der Beitragsautorin ein.

Liebe Leser, achtet bei euren nächsten Urlauben auf flüchtende Braunbären, mutierte Amseln und verlorengegangene Esel. Es könnte der Guerilla-Literat in der Nähe sein.