Hendl, Schokolade, Kochtopf und ein Papagei – Offener Abend am 1.3.2019

Am Wettbewerb um den Einzug ins Finale des Haidhauser Werkstattpreises nahmen diesmal (in der Reihenfolge ihres Lesens) folgende Autor*innen teil: der „Textzüchter“ (Lektor, Korrektor und Herausgeber) Jan-Eike Hornauer, der Filmemacher Peter Kramer, der TV-Texter Helmut Michael Schmid sowie die Künstlerin Tania Rupel Tera.

Jan-Eike Hornauer eröffnete den harmonischen, aber intensiven Abend mit einem selbstreflexiven, sich schön launisch steigernden Text, namens „Das Brathendl“, in dem er sich als norddeutscher Zugereister, schon vorab schlecht gelaunt, über die zu einem Mythos „aufgeblasene“ Wiesn beim Verzehr eines „nackten Hendls“ und einem Schwall Bier echauffierte, bis er schließlich, um sich Luft zu machen, mit dem Krug auf das Hühnergerippe schlug, dass die Knochen splitterten.

Wie es der Zufall der Auslosung ergab, las daraufhin Peter Kramer aus seiner bildhaft auf Spannung gebauten Erzählung „Soweit die Knochen tragen“ über einen deutschen Landser, der beim Russlandfeldzug von seiner Truppe zurückgelassen worden war und dann – bei zeitweisem Schneetreiben – versuchte, den Spuren der Kolonne zu folgen. Hungrig isst er lockeren Schnee und nähert sich dann einem abgestürzten russischen Flieger, zuvor mit seinem Sturmgewehr auf die beiden Pilotenkapseln feuernd. Mit Verwunderung stellt er schließlich fest, dass die Pilotin eine Frau war und eignet sich deren Schokolade an, um zu überleben.

Helmut Michael Schmid fuhr mit der ironisch-charmanten Kurzgeschichte „Der Papagei“ fort, die in einem Tiergeschäft beginnt, in dem der Ich-Erzähler einen Hamster erwerben will, von dem Händler aber zum Kauf eines fünfzigjährigen Papageis überredet wird. Doch zuhause spricht der merkwürdige Vogel gar nicht, ja scheint das vorgelegte Studentenfutter zu missachten und sich nicht einmal zu bewegen. Besorgt geht er mit ihm zurück in den Laden, erfährt aber, dass das sophistische Tier lange bei einem Psychoanalytiker gelebt hat, also ein Setting mit Couch bevorzuge, um sich wohl zu fühlen. Und tatsächlich, sobald sich der Ich-Erzähler zuhause vor den Papagei legt, wird dieser lebendig und interaktiv.

Schließlich las Tania Rupel Tera einen einfühlsamen Bericht namens „Die Oma“ über ihre Urgroßmutter und die Zubereitung eines Kartoffelgerichts in dem bulgarischen Nationaltopf „Gjuwetsch“. Diese Oma saß ja stets stolz und stumm im Hintergrund der Ereignisse, hatte aber alles Geschehen still beobachtet, immer Bonbons für die Kinder unter ihrer Schürze hervorgezogen, egal wie viele zu ihr kamen, doch eines Tages ändert sich die Erinnerung, plötzlich wirkt sie traurig, alt, nutzlos. Und die Familie bereitet ihr zu Ehren einen Gjuwetsch, wobei dieses Gericht eigentlich den Tontopf (sprich, zumindest im vorgetragenen Fall, den Zusammenhalt der Familie) bezeichnet.

Das Publikum wählte Helmut Michael Schmid mit seinem „Papagei“ zum Abendsieger. Dank auch an die einfühlsame, zugewandte Moderation von Hilda Ebert.