„‘Das stoß ich dir jetzt ins Hirn‘, knurrte er, nahm das Ding in die linke Hand und griff mit der rechten nach Gryszinski, um ihn in den Schwitzkasten zu nehmen.“ So schilderte die Autorin Uta Seeburg ein schlagendes Zusammentreffen des Kriminalkommissars Gryszinski mit einem Büchsenmacher in einem Hinterhof der nur scheinbar idyllischen Milchstraße in München – im Jahre 1894. Sie las dort – im Vordergebäude im MLB – am 11.6. 2021 wie angekündigt zunächst aus ihrem historischen Kriminalroman „Der falsche Preuße“. Es war die erste Präsenzlesung seit über einem halben Jahr.
Mit den außer der Autorin noch anwesenden fünf Besuchern entwickelte sich gleichsam ein intimes Gespräch über die Erzählweise und Erzählperspektive der Autorin. Hervorgehoben wurde die detailreiche Beschreibung der Verhältnisse in München-Haidhausen am Ende des 19. Jahrhunderts. Uta Seeburg war erkennbar in die besonderen historischen Innereien Münchens eingedrungen und hat darin ertragreich gewühlt. Heraus kamen realistisch-naturalistische Beschreibungen beispielsweise der Haidhauser Herbergshäuschen, des Viktualienmarktes oder der Metzgerzeile. Sie berichtete, dass der Lektor des Verlages tatsächlich alle ihre historischen Angaben überprüft habe. Fehler wurden auch von den Anwesenden nicht entdeckt. Hervorgehoben wurde weiterhin das ausgewogene Verhältnis zwischen der Beschreibung von Örtlichkeiten, Zimmern und Wohnräumen und den Dialogen, durch die die Geschichte wohl hauptsächlich vorangetrieben wurde.
Ohne dass eine Pause eingelegt wurde, las die Autorin im zweiten Teil des Abends aus einem in Arbeit sich befindenden Projekt einer Geschichte des Essens in Form ausgewählter, feuilletonistischer Essays.
In Erinnerung blieb vor allem die Darstellung der ersten, im Fernsehen ausgestrahlten Kochsendung. Das war in Groß-Britannien 1938 und es ging um die Zubereitung eines scheinbar einfachen Eierpfannkuchens mit einer Rezeptur, die heute schwer denkbar ist: 8 Eier und ein gutes Pfund (!) Butter. Daran schloss sich eine Diskussion über die geographisch und geschichtlich verschiedenen Ess- und Kochgewohnheiten an. Die Autorin gab an, bei ihrem Projekt gleichsam in der Steinzeit mit der Zerlegung und Zubereitung eines Mamuts beginnen zu wollen. Die Autorin versprach, aus ihrem Projekt vielleicht wieder zu lesen, wenn es weiter fortgeschritten ist. Darauf darf man durchaus gespannt sein. Die kleine Versammlung endete gegen 21 Uhr mit der Gewissheit, einer erkenntnisreichen Lesung und lehrreichen Diskussion beigewohnt zu haben
Abendbericht von Ulrich Schäfer-Newiger