Für den diesmal noch per Zoom durchgeführten offenen Abend fanden sich zahlreiche Zuschauer und Zuhörer und sechs Autorinnen und Autoren, die ihre Texte vortrugen:
Birgit Leitner las unter dem Titel „Gerda“ eine Geschichte des Besuches der dementen Mutter im Altersheim. Es ging, wie oft in solchen Berichten um Flucht, Vergessen, dem Wettlauf gegen die Zeit, typische Elemente eines Erinnerungstextes. Die Autorin wechselte dabei zwischen äußerem Bericht in inneren Monolog.
Angela Bauer las ihre Geschichte „Keine Angst vor Weihnachten“, die sie am 7.5. schon einmal gelesen hatte. Weil damals nicht genügend Autoren sich dem Wettbewerb gestellt hatten, war nicht gewählt worden und die Autor*innen konnten diesmal wieder teilnehmen. Von dieser Möglichkeit machte Angela Bauer Gebrauch.
Stephan Priddy hatte einen Text mit dem Titel „Ein kurzes Innehalten“ mitgebracht. Ein Wanderer geht über Felder, anfänglich begleitet von zwei Raben, Vögel des Gottes Odin. Nach und nach stellt sich heraus, dass es ich um einen wahrscheinlich geheilten Krebspatienten handelt, der alle Torturen einer Krebstherapie hinter sich hat. Nach langer Zeit ist er erstmals wieder im Freien. Einen alleine stehenden Baum spricht er an, fragt ihn über Zeit, Krankheit, Vergänglichkeit. Ist neidisch auf ihn, tritt ihn deswegen. Der Baum bleibt stumm. Zuletzt macht der Mann ein Selfie mit dem Baum. Der Beitrag entfachte eine längere Diskussion über ihre vermeintliche Bedeutung: Verhältnis zur Natur, Verhältnis zum eigenen Ich, zum Vergehen der Zeit, zur Selbstvergewisserung in der Gegenwart.
Angie Ortbauer trug, zum Teil sehr glaubwürdig-emotional, drei Gedichte vor, „Sternenstaub“ (ein Liebesgedicht), „Die letzte aller Stimmen“ (über die Begegnung mit einem sterbenden HIV-Kranken) und „Was ist Zeit“ (Gedanken über das Phänomen Zeit), jeweils in Reimform. Dies wurde von einzelnen Zuhörern ausdrücklich positiv bewertet; sie beklagten zugleich den (angeblichen) Verlust des Reimes in der modernen Lyrik.
Tania Rupel Tera erzählte eine Geschichte von zwei Schwestern (mit dem Titel „Durst“), und deren zwangshaften wechselseitigen Verhaltensmuster. Schon immer verlangte die größere von der kleineren („das wasserbringende Mädchen“) ein Glas Wasser gebracht zu bekommen, weil sie Durst haben, selbst dann, wenn sie abends schon im Bett lag. Selbst als die Schwestern sich im Erwachsenenalter dieses Verhaltensmuster – Befehl und Gehorsam – bewusst gemacht hatten, änderte es sich nicht. Gelobt wurde besonders der ausgetüftelt-beeindruckende Dialog zwischen den beiden Protagonistinnen.
Schließ trug Elisabeth Lösl in der Geschichte „Wenn Du zum Mond fliegst“ aus der Perspektive eines Ehemannes dessen Reaktion auf die Mitteilung seiner Ehefrau, sie werde „morgen“ zu einem Trainingslager für Mondastronauten in Kasachstan aufbrechen. Die Teilnahme habe sie in einem Preisausschreiben gewonnen. Der Ehemann entpuppte sich als einer, der nichts von seiner Frau weiß und auch sehr emotionslos auf die Mitteilung über das ungewöhnliche Reiseziel seiner Frau reagiert.
Bei der anschließenden Wahl des Abendsiegers wurden 15 gültige Stimmzettel abgegeben. Es gewann Stephan Piddy mit 27 Stimmen, Tania Rupel Tera und Elisabeth Lösl wurden mit jeweils 18 Stimmen zweite. Diese drei kommen also weiter in die nächste Runde.