Trieb und Trauer – Bericht vom 11. November 2022

Ein „Bunter Abend“ im MLB  verheißt immer  drei bis vier ordentliche Autoren oder Autorinnen, sehr unterschiedliche Texte und vertiefte, interessante Diskussionen um Thema, Sprache oder Stil der Texte.

So wars auch heute, und Philipp Stoll begann gleich mit einer kurzweiligen Strandgeschichte, die sich mit der Beobachtung eines Käfers, seinem Fühlen und Denken, mit Riesen, Sand und Meer und dem Beobachten des Beobachtens auseinandersetzte. Das Publikum ging überall gerne mit, wo plastisch von Mammutzähnen und Känguru erzählt wurde; aber auch Denken und Fühlen des Kleintiers, die Fragen von Freiheit und Bestimmung wurden angerissen, Trieb oder Denken.

Mit Raimund Fellner tauchte man dann ein in die Jugend der 70er Jahre – sein  Auszug aus seinem Entwicklungsroman fokussierte sich auf die Bekanntschaft des jungen Raimund mit Bea, die nicht „so zickig“ war wie die anderen Mädchen und vor allem auf  vier Fingern pfeifen konnte, was für den pubertierenden Knaben R. die Gelegenheit zum Gesprächseinstieg bot. Die Schilderung der Hemmungen und Abschweifungen, der umständlichen Gedanken des Protagonisten, ehe er zur Tat schreiten konnte,  kam beim Publikum gut an, die meisten hätten wohl gern noch mehr gehört.

Günter Mitschke bot zwei kurze Storys. Einmal  trafen sich vier „Untote“ im Brückenwirt. Sie werden vom Autor  genau beschrieben, auch ihre Vergangenheit, ihr grauenhafter Zustand und die Todesursachen werden klar herausgearbeitet, doch dann bricht die Story plötzlich ab. Der Autor hat das so gewollt, das Publikum konnte ihn nicht zur Fortsetzung bewegen. Auch die zweite Story: Sehr knapp erzählt, eine U-Bahn, ein junger Mann, eine ältere Frau, die einen Platz beansprucht, sie zerrt an ihm, aber er „zieht“ seinen Behinderten-Ausweis. – Was den Zuhörern etwas zu banal vorkam. Bei aller Verknappungskunst, man wollte doch noch etwas mehr und vor allem Ungewöhnlicheres hören.

Hans-Karl Fischer erzählte aus seinen „Erinnerungen“ an den vor kurzem verstorbenen Michael Ried. In  sehr einfallsreichen Sprachbildern wurden Leben und Leiden des Malers und Autors plastisch geschildert, der auch im MLB über viele Jahre und Jahrzehnte oft aufgetreten ist und mit seinen sprachlich kargen, an Charles Bukowski orientierten Storys auch Erfolg hatte. Die Aussprache über den Text wurde zu einem Gedenken an den Verstorbenen.

Danach setzte Hans-Karl Fischer mit der Sprachglosse über „im übrigen“ und „vor allem“ unter den Abend einen gelungenen literarischen Schlusspunkt.

Bericht: Wolf Amberg
Fotos: Beppo Rohrhofer