Den letzten Abend vor dem neuen sanften Corona-Lockdown wollte im MLb die Deutsch-Russin Ina Zagrajewski gestalten mit Gitarrenmusik und Gesang. Leider fiel der Gitarrist vom Rad und der musikalische Teil somit ins Wasser. An Land gerettet wurden die Gedichte, die Ina verfasst hat und (leider, leider) nicht selbst lesen wollte. So musste Gerhard Häussler ran, der mit etwas zu scharfer Stimme die Nachtveilchen, Maiglöckchen und den Schmetterling über dem Schnee zerrupfte.
Das Publikum genoss dennoch die Poesie der Bilder, die teilweise symbolische Pflanzen- und Tierwelt und verzieh den einen oder anderen grammatikalischen Holperer.
Im zweiten Teil präsentierte Ina das Gedicht Heinrich Heines, eines ihrer deutschen Favoriten, „Der Fichtenbaum“, den Michail Lermontow (1814-1841) ins Russische übersetzt hatte. Bekanntlich sehnt er sich ja nach einer Palme, der nordische Nadelträger! Da Ina sich den Spaß machte, Lermontow wieder ins Deutsche zurückzuübersetzen, wurde aus der Fichte eine Kiefer, aus der Heineschen Ironie wurde russischer Ernst – ein durchaus reizvolles Experiment.
Danach sollten Russische Romanzen kommen von Fjodor Tjuttschew (1803-1873), die aber mangels Gitarrenbegleitung nicht die erhoffte Wirkung erzielten.
Insgesamt war es ein gelungener Blick in das tiefe, dunkle russische 19. Jahrhundert, bevor hier bei uns die ebenso dunkle Corona-Schließung Nummer zwei anbrach.
Bericht von Wolfram Hirche