An diesem ersten Auswahl-Abend zum 28. Haidhauser Werkstattpreis, der aus Platzgründen während der Coronakrise in der Seidlvilla, Schwabing stattfand, präsentierten vier Autorinnen und Autoren ihre Zehn-Minuten-Texte.
Vincent Sauer (auf dem Bild) las seine Vater-Sohn- Story vor („Verpflichtung“), bei der der Vater den Sohn durch eine Gute-Nacht -Geschichte vor Schlaflosigkeit und der bösen Königin der Nacht bewahren möchte. Der warnende Prophet übersteht den Brand, der Sohn die Nächte, doch ob am Schluss alles gut wird, bleibt offen. Die Story-in-der-Story-Konstruktion konnte das Publikum überzeugen. Da war Zeitbezug und gleichzeitig persönliche Betroffenheit erkennbar.
Die Autorin Gerti Kessler schilderte mit der Story „Nacht im Outback“ eine wahre Begebenheit aus ihrer Jugend. Während einer Tramp-Reise durch Australien in den Achtzigern gerät sie in die Gewalt eines Truckers und kann fliehen. Die Nacht im Outback, die Angst vor Schlangen und einem gefährlich rülpsenden Road-Rowdy, die Rettung durch freundliche Familie werden realistisch erzählt. Das Publikum rügte das eine oder Glaubwürdigkeitsproblem. Die Sprache der Erzählerin war vielleicht etwas zu brav für die Dramatik der Handlung.
Bei der Fantasiegeschichte „Athana“ von Stefan Priddy kam es dagegen auf Glaubwürdigkeit nicht an. Hier ging es darum, wie der Fantasie-Jäger Athana mit Hilfe eines Raben das Feuer zu den Menschen brachte und am Schluss seinen eigenen Stamm nicht mehr fand. Er musste feststellen, dass er in eine etwa hundertjährige Zeitverschiebung geraten war, der feuer-verkohlte Rabe mit seinem Fluch doch noch Recht behielt und der Polarstern ihm für immer entglitten war.
Im letzten Text des Abends entfaltete Marion Zechner in rhythmischer Prosa vom „Ich“ zum „Du“ eine Mutter-Tochter-Poesie, die Mut zum Leben machen sollte und die pädagogischen Erfahrungen der Mutter auf dem Weg zum Erwachsenwerden ihrer Tochter zeigte. Das Publikum gab ihr damit an diesem Abend den zweiten Platz. Es bemängelte einen leichten Überschuss an pädagogischen Ratschlägen bei fehlenden konkreten Situationen.
Sieger wurde Vincent, der mit Abstand jüngste Autor dieses Auswahl-Abends. Er wird seine Story im Finale des Haidhauser Werkstattpreises erneut zur Diskussion stellen.
Bericht von Wolfram Hirche