Die 2177. Lesung bescherte dem MLb sogar ein Programmheft, das durch den Abend führte. Gabriele B. Hartl, Autorin des Abends, zeichnete dafür verantwortlich, und es wurde klar: heute wird nur wenig dem Zufall überlassen. Unter dem Titel „Versuche über die Wahrheit- eine lyrische Reise“ präsentierte die Autorin vor vollem Haus einen lyrischen Parcours, mit Vorspann und sechs Stationen: „Aufbruch, Lichtspiele, Würzige Gärten, Feuer und Eis, Meditationen, Umkämpftes Gelände, Endstation“.
Mit beeindruckender Präzision, was Timing, Aussprache, Dynamik, Betonung, Gestik und Mimik angeht, trug Gabriele B. Hartl ihre Gedichte vor, in zwei Blöcken von je etwa einer halben Stunde. Und das alles auswendig und fehlerfrei! Die Texte überzeugten – bei einer leichten Tendenz zum Substantivischen – durch zahlreiche gelungene und berührende Bilder aus der Natur und der menschlichen Empfindung, die in Beziehung zueinander gesetzt werden und ein dichtes Sprachgeflecht bilden, das beim Zuhörer genau die ambivalenten, changierenden und amorphen Bedeutungsräume schafft, die gute Lyrik ausmachen.
In der Diskussion und im Autorengespräch, das jeweils an ihre Performance anschloss, stellte sich heraus, dass Gabriele B. Hartl in einigen Fällen von gemalten Bildern zu ihren lyrischen Gemälden inspiriert worden war und dass in den vorgetragenen Gedichten auch japanische Haikus verborgen sind.
Das Publikum war im Wesentlichen hochzufrieden bis begeistert, ohne dass deshalb die in den Genen des MLb verankerte Kritiklust völlig stumm geblieben wäre. Die Autorin bedankte sich für konstruktive Anregungen, und mit einem langanhaltenden Applaus fand dieser Abend ein vorweihnachtlich harmonisches Ende.
Abendbericht: Philipp Stoll
Fotos: Beppo Rohrhofer