Bunter Abend – Abendbericht vom 4. Oktober 2024

Dieser „bunte Abend“ wurde seinem Namen voll gerecht: Vor voll besetzten MLb lasen sechs Autorinnen und Autoren die unterschiedlichsten Texte: Prosa, Lyrik, Moritat, Aphorismenähnliches.


Der Abend begann mit Peter Asmodei und seinem Prosastück „Und in den Fluren herrscht die Nacht“, einer kafkaesk anmutenden Geschichte von Alf, der in einem vergitterten und dunklen Raum gefangen war, und sich seine komplizierte Lebensgeschichte – Mutter mit 5 verloren, Vater unbekannt – zweifelnd und fragend, voller Angstphantasien in Erinnerungsbildern sich immer wieder vergegenwärtigte. Immer wieder behauptete er, das Leben sei ihm entglitten usw, ohne dass der Leser erfuhr, was damit konkret gemeint war. In einem Traum, träumte er dieses klaustrophobische Eingesperrtsein noch einmal und als er aufwachte, hoffte er, seine Gefangenschaft sei ein Traum. Das war sie aber nicht, sie währte fort. Bis zuletzt erfuhren die Zuhörer nicht, wo das alles hinführen sollte. Doch dann zum Schluss: Zwei weißbekittelte Experimentatoren stehen vor Monitoren und beobachten den Probanden Alf. Diese Lösung der Geschichte wurde in der Diskussion kritisiert als zu banal und die an sich im Laufe der Erzählung geschickt aufgebaute Erwartung nicht erfüllend.

Horst Hollitzer trug eine Textform vor, die im Literaturbüro selten zu hören ist: Eine Moritat („schaurige Ballade und das Erzähllied des Bänkelsängers“ -wikipedia). Schaurig in der Tat war die in klassischen Paarreimen vorgetragene Geschichte der Ritter Rabenstein und Falkenstein, die in ihren gegenüberliegenden Burgen aufwuchsen und ewig in Konkurrenz miteinander standen. Das galt vor allem für eine junge Dorfschönheit, die beide begehrten. Einer aber kam dem Anderen zuvor, entführte sie auf seine Burg und „legte sie flach“. Im daraufhin im Wald zwischen den beiden Rittern stattfindenden Duell durchbohrten sich beide gegenseitig mit ihren Speeren und schieden aus dem Leben. Was aus dem Mädchen wurde, blieb unerzählt, sie war offensichtlich nicht mehr wichtig. Was eine Zuhörerin zum Anlass nahm, den Raum nach Ende des Vortrags zu verlassen mit der Erklärung, sie habe selbst ein solch ähnliches Erlebnis gehabt, das jetzt auch vor Gericht verhandelt werde; mit solchen Geschichten habe sie daher erhebliche Probleme. Der Autor erklärte auf Nachfrage aus dem Publikum noch die Umstände der Entstehung dieses etwas aus der Zeit gefallenen Textes: Mittelalterspiele in einem Ort nahe Nürnberg, bei denen er zum Vortrag kommen sollte.

Es folgten von Gerhard Häusler expressiv vorgetragene Gedichte von Ina Zatajewski: Liebesgedichte unter dem Titel „Tango der Stummheit“, in denen von den „steinernen Wegen der Liebe“ die Rede war. Gedichte, die in Form einer russischen Matroschka ineinander verschachtelt sein sollten, folgten. In der Diskussion wurde der ausgeprägte Vortrag einerseits gelobt, andererseits kritisiert, weil zwischen den einzelnen Gedichten keine Pausen zu vernehmen waren, so dass sie z.T. nicht zu unterscheiden waren und wie ein einziger Text erschienen.

Günther Mitschke trug nach der Pause zwei kurze Prosastücke, „Dementi“, in welcher der Protagonist über seine voreilige Geburt und wohl voreiligen Tod räsonierte, sowie„Liebe und andere Lappalien“ vor. Letztere beschrieb eine Trauergemeinde, in der sich Witwe A in Trauergast B, dieser aber in Witwe C verliebte usw., usf. wodurch die Geschichteeinen gewissen absurden Charakter gewann. Abschließend trug der Autor noch drei aphorismenartige Sätze vor, z.B. „Hier sitze ich und kann nicht anders.“

Elisabeth Bischoff erklärte, für die zu schreiben, die keine Stimme haben, Kinder nämlich. Sie las aus einem schon veröffentlichten Buch mit dem Titel „Heiter und ein bisschen wolkig“ einen Ausschnitt vor. Aus der Sicht eines Mädchens, das zunächst 8, im weiteren Fortgang der Geschichte dann 11 Jahre alt war, wurde dessen schwieriges, zuweilen widerspenstiges und widersprüchliches Verhältnis zurwahrscheinlich psychisch kranken Mutter erzählt, die sogar abgeholt und in die Psychiatrie gebracht werden sollte. In der sich anschließenden, intensiven Diskussion wurde die Frage erörtert, ob die geschilderte Perspektive des Kindes mit seinen oft allzu klugen Sätzen („Ich machte mich zum Judas“, „Ich wusste, dass Zeit mein Problem war“, u. ä.) denn glaubwürdig war. Es wurde bezweifelt, ob die durch die verwendete Sprache intendierte Reife des Mädchens ihrem Alter tatsächlich angemessen war. Kritisiert wurde auch in diesem Fall der viel zu schnelle, dadurch auch undeutlich werdende Vortrag. Aus dem Publikum kamen dazu praktische Lesehinweise.

Zuletzt trug Petra Lang zwei kurze Gedichte und einen Prosatext vor. Dieser trug den Titel „Schwarzes Eis“. Ebenfalls aus der Perspektive eines jungen Mädchens wurde dessen Verhältnis zu einem anderen Mädchen, welches wohl als Freundin galt, erzählt. Diese Isabella hatte im Gegensatz zur schwarzhaarigen Erzählerin volles, rotes Haar. Auch hatte sie bei der Geburt ihres Bruders die Mutter verloren, während die Protagonistin den Bruder bei dessen Geburt verloren hatte. Gegenstand des Textes war vorwiegend das komplizierte Verhältnis der Erzählerin zur Freundin: z.T. eifersüchtige, sich ständig mit der Anderen vergleichende Bemerkungen und Bewertungen seitens der Erzählerin machten dieses Verhältnis aus. Zuletzt färbte sich die Erzählerin für ein Treffen mit der Freundin die Haare rot, während diese ganz in schwarz gekleidet erschien und ihre Haare geschwärzt hatte. Offenbar handelt es sich um den Jahrestag des Todes der Mutter, zu dem beide sich verabredet hatten und „schwarzes Eis“ essen gehen wollten.  In der Diskussion wurde moniert, dass nicht erkennbar geworden sei, was die Geschichte denn zu bedeuten habe oder was die Autorin mit ihr zum Ausdruck habe bringen wollen. Die Frage blieb auch nach einiger Diskussion tatsächlich unbeantwortet.

Am Ende aber auch hier wie bei allen anderen Vortragenden laut-langer Beifall, auch weil der Abend insgesamt eine bunte Vielfalt von interessanten, unterschiedlichen Texten und Anlässe für intensive Diskussionen bot.

Abendbericht: Ulrich Schäfer-Newiger