Der glatte Kommissar – Bericht vom 20.5.2022

Wie am Schnürchen lief die 61. Geschichte des französischen Kommissars Pierre Agricole. Auf sechzig Seiten mit je geschätzt 1500 Zeichen wurden die Zuhörer in kurzweiliger Art und Weise zwischen Paris, Colmar, Freiburg und Chile hin und her geschickt und dabei mit zahlreichen Personen – auch aus früheren Geschichten – bekannt gemacht.

Der erfahrene Autor Peter Gräfen trug engagiert und ansprechend vor. Er hat eine schlanke, dialogbetonte Erzählweise gewählt, die ohne Umschweife das Wesentliche der Handlung fokussiert und auch spannende Momente enthält. Das schien den Zuhörern der 2055. Lesung die große Stärke des Textes zu sein. Langeweile kam nie auf, schon weil man zu tun hatte, die immer zahlreicher werdenden französischen Vor- und Nachnamen auseinander zu halten und die Schlag auf Schlag präsentierten Zusammenhänge zu verstehen. Doch jeder Glanz hat seinen Schatten. Das fand auch das Publikum. So vermisste man in der Schilderung der Szenen “Flair”, ein Anderer nannte es “Atmosphäre”. Die Räume werden nicht ausgemalt, die Personen bleiben im Wesentlichen in Schwarz-Weiß gezeichnet, von ihrem Innenleben erfährt man nichts bis wenig. Die Handlung, wiewohl insgesamt keineswegs unkompliziert, läuft wie ein frisch aufgezogenes Uhrwerk, reibungslos, glatt – passend zum Kommissar. Das Kopfkino der Zuhörer blieb blass. So sprang die Begeisterung des Autors nicht auf sein Pubikum über. Den Einwand, einen Treffpunkt von Exilchilenen in Frankreich könne man aus sprachlichen Gründen wohl nicht “centro espaniola” nennen, da sei ein “a” zuviel, wischte der Autor beiseite, indem er darauf verwies, er habe das so in Erinnerung. Das überzeugte nicht jede/jeden. Das Publikum blieb insgesamt ungewöhnlich zurückhaltend.

Abendbericht von Philipp Stoll