Als unbedingter Vorteil eines offenen Abends erweist sich gerade der Umstand, dass Zuhörer und Moderator nicht wissen, was kommt, ob Erwartungen erfüllt werden oder nicht. Also Überraschungen möglich sind. An diesem Freitag, den 13. erfüllte sich die Erwartung der Vielfalt. Eine Autorin und drei Autoren gestalteten mit ganz unterschiedlichen Texten den Abend.
Elisabeth Lösl las einen Auszug aus ihrer im Polen der 60iger Jahre angesiedelten Geschichte, in welcher, im Alltag und politisch, die Farbe Grau vorherrschte. Widerstanden wurde ihr im Alltagsleben der Bewohner eines Mietsblocks durch einen dort lebenden Ausländer, einem Franzosen, der immer mal verreiste, ins Ausland sogar, der aber immer wieder zurückkam und dann erschöpfend ausgefragt wurde und erzählte. Auch ein Herr Gnom, Angestellter eines Schlaflabors, bereicherte das Personal. Diese Anomalien des Alltags waren es, welche die politische und alltägliche Tristesse aufbrachen und Licht ins Grau brachten.
Walter Grassl las „kurze Sachen“, wie er sie nannte, satirisch grundierte Texte, in denen es, aus der Sicht der zwischen den Autor und die Leser gestellten Kunstfigur ‚Wolfi‘ , um die Vermehrung des Virus, der Fruchtfliegen, des Staubes und der Unordnung überhaupt ging. In einem sich reimenden Gedicht wurde die Gendersprache auf die Schippe genommen. Ein kleiner Prosatext versuchte das Urmisstrauen an der Moderne durch eine Bezugnahme auf die vermutete Weltsicht eines Neandertalers plausibel zu untermauern, indem er sich der Methode der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen bediente. In der Diskussion wurde dieser Neandertaler – Vergleich ‚nicht ganz überzeugend‘ gefunden. Schließlich erschuf in der Geschichte „Genesis, die I.“ ein Regisseur die Welt neu, verwarf sie wieder in ein schwarzes Loch und kreierte sie wieder neu. Auch in diesem Text war ein deutliches Unbehagen an der Moderne auszumachen
Hans-Karl Fischer las fünf Gedichte. Diese zeichneten sich aus einmal durch den gezielten Einsatz altertümelnder Sprache „ich saß eines Schuljahres ihm zur Seit“, zum anderen durch abseitig-surreale Bild-Elemente, z.B. „Vier Hügel erklommen den Sitz eines Lastwagens“, „vier Bäche sattelten“ u. ä. Die Texte enthielten biographische Elemente und gemeinsam waren ihnen mitunter überraschend- unerwartete Bilder, z.B. wenn das lyrische Ich sein Heft mit Gedichten gegen ein Klingeltableau drückt und alle Lichter im Haus unmittelbar angehen.
Hans Reimann las zwei Prosatexte und ein Gedicht. Die Prosatexte waren für den Berichterstatter essayistische Erzählungen, jeweils ein Zwischending zwischen Essay und Erzählung. Einmal schritt der Erzähler durch den Park der Katholischen Akademie in München in Erwartung einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 250igsten Geburtstages von Novalis. Gedanklich begegnete der Autor stattdessen aber Eichendorff, mit dem er sprach. Und dabei den wunderschönen Satz kreierte: Und mit mir ging die vergehende Zeit. In einem weiteren Text versuchte der Autor, den Pianisten Fazil Say anlässlich eines Konzertes mit Werken Mozarts sprachlich sozusagen einzufangen, zu erkunden, sich ihm zu nähern. Indem er u.a. erklärte, der Pianist spiele nicht nur Mozart, er sei es in diesem Moment auch. Und seinen Abgang mit dem Gang eines Bauern aus dem anatolischen Hochland verglich. Daran entzündete sich in der anschließenden Diskussion Kritik. Schließlich trug der Autor noch ein Gedicht vor, betitelt mit Mythologie mit Bombe. Mit diesem Text, der die gegenwärtige Atomkriegsdrohung mit altindischen Mythen der vielarmigen, tanzenden Shiva und der achtarmigen Kali und klassischen europäischen Mythen in Verbindung und so irgendwie sprachlich in den Griff zu bekommen und zu bannen versuchte, endete der literarisch vielseitige, spannende Abend.
Abendbericht von USN