Doro und Isabell – Abendbericht vom 21. Juli 2023

„Doro“ und „Isabell“ sind die Titel die beiden Texte, die Mae Ludwig aus ihrem Zyklus „Kreis mit Kreuz“ vortrug.

Doro, verheiratet, zwei Kinder, in Teilzeit tätig, erlebt die Krise, wie man sie sich vorstellt: die Familie engt sie ein, alle stellen Ansprüche, für sie selbst bleibt zu wenig. Vor allem Freiheit. Sie rebelliert gegen die ununterbrochene Unterdrückung von Bedürfnissen, sehnt sich nach Zeit, um etwas für sich zu tun. Anschaulich und realitätsnah schildert die Autorin diese Lebenslage. Etwas plötzlich erklärt Doro ihrem Ehemann, sie wolle die Scheidung. Gut, dass die Schwiegermutter sich intensiv um die Kinder kümmert. Das erlaubt der Protagonistin, wenige Sätze später im indonesischen Urwald dem nachzugehen, was sie sich wohl schon seit Geburt wünscht: Orang-Utans zu fotografieren.

Am Schluss der Geschichte reiße die Wirklichkeit ab, meldete sich eine Stimme aus dem Publikum. Gelegentlich klischeehaft, hieß es von anderer Seite. Im Übrigen gab es Lob für guten Vortrag, anschauliche Schilderungen, gelungene Bilder und einen unterhaltsamen Plot.

Die Ich-Erzählung „Isabell“ beschreibt eine Frau Mitte vierzig, alleinerziehend, in finanziell angespannten Verhältnissen lebend. Gerade ist ihr wieder einmal ein Mann davongelaufen. Aber ohne Mann kann und will Isabell nicht. Sie sucht, auch wegen ihrer Tochter, einen „sicheren Hafen“. Die Auszeit von einer Woche, die sie sich in Nizza nimmt, führt schnurstracks zu einem arrivierten, attraktiven, großzügigen Deutschen, der seinen reichlichen Lebensunterhalt als Proktologe in Hamburg verdient. Die Beziehung beginnt zu laufen, wie geschmiert. Dann aber wirft ein wesentlich jüngerer Einheimischer seinen unwiderstehlichen Blick. Ein armer Fischer, den die Protagonistin am letzten Abend in einem Akt spontaner Freiheit dem Anderen vorzieht. (Wer die Wahl hat, hat die Qual. Auch das kann Freiheit.)

Die Texte haben Ähnlichkeiten. Die Reaktion des Publikums war dementsprechend. Das Thema fanden natürlich nicht alle interessant. Insgesamt bescherte die 2111. Lesung einen kurzweiligen und runden Abend.

Abendbericht: Philipp Stoll
Foto: Wolfram Hirche