Erstaunlich, was sich aus Käfern entwickeln lässt. Es sind die „Kindheit aus Chitin“, wie ein Zuhörer sagt, die ihm immer wieder in den Sinn kommen, das Spiel der Sichtweisen „Käfer-Mensch“, das ungewohnte Blickwinkel er- und Verständnis öffnet. Angekündigt als „Käferfunde im Dialog“, von dem man nicht voraussehen konnte, was die Zuhörer im Literaturbüro erwartet, entwickelte sich bereits nach den ersten Gedichten ein tiefgründiger Dialog, der weit über die Zuhörerfrage hinausging, ob sich aus Sicht des Menschen eine eben dem Anthropozentrismus widersprechende Perspektive einnehmen lässt. Die Frage war nicht wichtig. Denn die Texte waren allesamt gut.
„Käfer in den Fingern“ von Silke Scheffel machte den Anfang, ein Gedicht, das die „Kindheit aus Chitin“ in den Raum warf und Sofie Morin mit „Bergblau in der Hand“ antworten ließ, ebenfalls einem Gedicht, in dem „flugunfähig der Käfer … / in den Farben der See … / findet Zwiesprache / lebendigen Mut / Inmitten Totholz / vergessen geglaubter / Wünsche“. Dieses literarische Dialogspiel aus Impuls und Antwort, der gleichzeitig wieder Impuls für den nächsten Text liefert, macht „Käferfunde“ aus und gelang auch in Prosa. „Ausschwärmen“ (Kinderbeine oder Käfer laufen durch die Zeit, als wären sie kein Stück davon, als hätten sie die Flügel nur dafür, um abzuheben bevor es ernst wird, …) findet seine Fortführung in „Waldkinder“ (Wir sollten über den Nachwuchs sprechen, du hast schon recht …)
Obgleich die Texte aufeinander aufbauen, stehen sie doch jeder für sich – sprachlich dicht, konkret, dabei selbst in den Prosapassagen von poetischer Dichte. Immer wieder überraschen sie mit ungewöhnlicher Nuancierung von Käferwelt und Menschenwelt („gelingt es ihnen seit dünnhäutiger Jugend“ aus dem Prosatext „Waldkinder“; „geflügelte Farbe“ aus dem Gedicht „Sommervöglein“ – gemeint sind Schmetterlinge – u. a.).
Auch die Texte nach der Pause – Sofie Morin aus „Schwestern im Vers. Zwiesprachen zwischen morgen und Frausein“, im Dialog geschrieben mit Dorina Marlen Heller; sowie Silke Scheffel mit „bitte Umgebung!“, einem Gedichtband, folgen diesem Konzept. Da die Texte bereits in Buchform erschienen sind, fallen die Diskussionen hier kürzer aus. Alles in allem darf der Abend als gelungen angesehen werden. Zu kritisieren gab es wenig, dafür viel Applaus und Anerkennung für die beiden Autorinnen, die zudem mit reichlich Wissenswertem rund um den Käfer aufzuwarten wussten.
Abendbericht: Franz Westner
Foto: Beppo Rohrhofer