Endlich Naturlyrik im MLb – Offene Abend am 6.3.2020

Um eine Lesung an diesem Abend haben sich sieben Kandidaten bzw. Kandidatinnen beworben, doch drei mussten abgewiesen werden, weil sie in den letzten sechs Monaten schon einmal an einem Offenen Abend teilgenommen haben. Der Grund für diese Regelung: Wir wollen verhindern, dass sich Autoren immer wieder zur Wahl stellen in der Hoffnung, einmal auf eine schwächere Konkurrenz zu treffen und so zu gewinnen. So blieben an diesem Abend noch vier Lesende übrig, was dem Minimum an Teilnehmern entsprach, um noch einen gültigen Wettbewerb abhalten zu können.

Als erster las Hans Reimann drei Gedichte, wovon zwei eine lebhafte Diskussion auslösten. Es ging dabei u.a. um politisch korrekte Sprache: Der Autor schrieb „Rumänin“, meinte aber Zigeunerin oder Roma. Das haben alle auch so verstanden, meinten daher, Rumänin wäre falsch, es könnte ja auch eine Bulgarin gewesen sein. „Es war aber eine Rumänin“, sagte darauf der Autor, er hätte sie damals gesprochen und eben das festgestellt. Gegen dieses Wissen kann man natürlich kaum argumentieren. Das zweite Gedicht handelte von Natur, offenbar inspiriert durch Theodor Fontane und geschrieben in einem ähnlichen Stil. Damit ist die Naturlyrik auch ins MLb gekommen!

Sebastian Günnel stellte zwei Texte vor, die nicht einfach zu verstehen waren, dennoch haben die Zuhörer sie größtenteils entschlüsselt. Mir ist vor allem die Geschichte von einem 500 Millionen Jahre alten Brot in Erinnerung geblieben, das irgendwo im Gabun gefunden worden ist. Ein Traum oder eine kafkaeske Situation, weil es zu dem Zeitpunkt weder Menschen noch Brote gab. Andererseits könnten es aber auch Außerirdische gewesen sein, die das Brot hinterlassen hatten. Geschrieben war die Geschichte in einem überzeugenden Stil und Sprache, so dass sie glaubwürdig klang – für einen Leser, der über das Alter der Erde und des Menschen keine Ahnung hat.

Jörg Schön brachte einen kurzen Text über Jesus, der offenbar auf die Erde zurückkehrte und Abendmahl? mit Kirchenbesuchern feierte. Als der Erzähler, der sich mit Jesus per Blickkontakt verständigte?, aus der Kirche trat, sah er vor sich eine Grube, bereit zur Aufnahme eines großen Kreuzes. Sollte Jesus nun erneut – und warum – gekreuzigt werden? fragten Zuhörer. Doch der Autor weigerte sich irgendetwas zu seiner ansonsten gut geschriebenen Geschichte zu sagen, was gar nicht gut ankam, wie man das später bei der Abstimmung sehen konnte.

Anja Härtling stellte eine Geschichte vor, in der eine Wunde eine Hauptrolle Rolle spielte: Im Traum, in einem Seminar und auf der Fahrt nach Hause. Das Besondere an dieser Wunde war ihre Form, die an Vulva erinnerte. Eigentlich kennen wir alle solche Wunden, weil nach kurzen Schnitten das Fleisch in der Mitte nach außen drängt und so der Wunde ihre charakteristische Mandelform gibt. Zuerst schnitt sich die Protagonisten im Traum in einen Finger, dann geschah etwas im Seminar, was verschwiegen wurde, und auf der Fahrt nach Hause wieder Schnitt in einen Finger, wobei es zu Schwierigkeiten beim Verbinden kam. Die Zuhörer entschlüsselten aufgrund des ausgesparten Seminarteils die Geschichte nicht ganz, dennoch gab es Lob für die Autorin.

Gewonnen hat Hans Reimann, knapp vor Sebastian Günnel und Anja Härtling. Damit hat sich Hans Reimann für das Finale am 18. April 2020 im Gasteig qualifiziert.

Bericht von Dion von Eleusis