Lyrik und Theorie – Bericht vom 15. August 2022

Ein Abend mit vier LyrikerInnen, Livemusik und zwei Vorträgen zur Poetik – wann bekommt man das schon mal Mitten im August in München serviert? Und wer will da schon groß hingehen?

Tatsächlich platzte der Raum des Münchner Literaturbüros aus allen Nähten, hielten die allermeisten Zuhörer drei Stunden lang  durch – fasziniert von den Gedichten Pega Munds, Armin Steigenbergers, Tania Rupel Teras und Ulf Großmanns. Nachdem die Violinistin und Sängerin Juliane Gredmaier als „Starter“  den Gefangenenchor aus Verdis Nabucco beendet hatte, war klar, dass das kein ganz leichter Abend werden konnte.

Der Poetik-Kenner Kristian Kühn (Herausgeber der „Signaturen“ im Netz) fasste in knappen 20 Minuten die Tendenzen deutscher Lyrik im frühen 21. Jahrhundert zusammen, die er vor allem in Berlin (Steffen Popp, Jan Wagner, Monika Rinck) ortete – mit dem Ergebnis, dass diese neue (nach Moderne und Post-Moderne) Moderne sich nunmehr seit  einigen Jahren schnell in viele Richtungen zerfasert und den Germanisten nach neuen Schubladen suchen lässt.

Da die vorgetragenen Gedichte nicht recht in irgendein Schema passen wollten, griff Kühn in einem zweiten Kurz-Essay  auf die romantische Poetik von Novalis zurück und konstatierte mythische, verändernde oder sprachkünstlerische Tendenzen – damit konnten alle leben! Das war ein Fest der Harmonie! – Gredmaier intonierte „Letzte Rose“  aus der Oper „Martha“; man ließ sich aber nicht zu Grabe ziehen, denn danach diskutierten alle erschöpft-beglückt bei herrlichem Sommerabend und  Bowle-Frucht – nicht aus der Dose – eine moderat moderne Lyrik, mit der die meisten Zuhörer etwas „anfangen“ konnten.  (Wiederholung geplant im nächsten August)

Abendbericht von W.H.

Fotos: Franz Westner