Rilke und Elfchen – Abendbericht vom 30. Dezember 2022

Bei der letzten Freitaglesung im Jahre 2022 zeigte der Autor Andreas Meyer vor zahlreich erschienenen Zuhörern eine breite Spannweite literarischen Schaffens.

Zunächst präsentierte der Autor Ergänzungen zu drei Gedichten von Rainer Maria Rilke “Opfer”, “Magie”, wo in der Ergänzung des Autors die Taube herabkommt und den Tauber beglückt, sowie “Der Panther”, der in der Ergänzung des Autors letztlich befreit wird.

Das Publikum war unterschiedlicher Meinung über diese literarischen Versuche, das Konzept wurde gelobt, insbesondere auch die Ergänzung des Gedichtes “Opfer” welches das Original gut träfe, während bei “Magie” der Bezug zum Original eher vermisst wurde und es sich bei dem “Panther” wohl nicht mehr um eine Ergänzung, sondern um eine weitschweifige Anlehnung handele. Generell gälte bei einem solchen Versuch, das derjenige, der Gedichte von Rainer Maria Rilke nicht verfremdet, sondern tatsächlich ergänzen will, sich mit diesem Dichter in der Qualität messen lassen muss.

Der Autor setzte seine Lesung mit drei Glossen fort, eine zum Thema “Wer gebildet ist, kann etwas”, einem recht langen Text über Zitate, Gier Geltungssucht etc., weiter mit einer Glosse zur Frage, ob es den Übermenschen gibt und zuletzt darüber, ob Sartre sich entscheiden müsse zwischen Gott und der Absurdität. Die Zuhörerschaft lobte die Glossen als sehr amüsante satirische Unterhaltung, andererseits wurde vor allem das Thema der letzten Glosse als abgenudelt kritisiert, und ebenso, dass sich die Texte teilweise nicht auf ein Thema konzentrierten.

Weiter ging es  mit zahlreichen Aphorismen des Autors über Kinder, Tod und Freundschaft etc. Aus dem Publikum wurde kritisch angemerkt, das sich diese Aphorismen stark an die Antike anlehnen und nicht, wie heute, mit Paradoxien spielen und damit nur mäßig geistreich seien, einige, wie etwa “Schlaf ist ein kurzer Tod” seien auch nicht wirklich treffend, andere zu lang, und der Inhalt nicht auf den Punkt gebracht.

Zum Schluss begeisterte der Autor das Publikum mit so genanntem Elfchen, kurzen Gedichten mit insgesamt jeweils 11 Worten in einer bestimmten Anordnung, die der Autor auf Zuruf eines bestimmten Begriffes über diesen vor den Augen des Publikums auf einer mitgebrachten Schreibmaschine auf Kärtchen schrieb, und sie dem jeweiligen Zuhörer, der sich als Stichwortgeber betätigt hatte, schenkte, wie beispielsweise auf das Stichwort “vergessen”:

„Vergessen/vieles davon/war nicht wichtig/Name der eigenen Frau/Prügel”

Die Zuhörer erlebten insgesamt einen interessanten und kurzweiligen literarischen Abend.

Bericht von Rainer Kegel