Am ersten der beiden Themenabende „KI und Literatur“, kamen vor vollem Haus und sehr interessiertem Publikum vier Texte zum Vortrag.
Es begann Horst Oberbeil mit einem in das Thema einführenden Essay. Darin unterstrich der Autor vor allem den Unterschied zwischen menschlichem Gehirn und Computer. Den Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘, so eine seiner Thesen, könne man als Euphemismus bezeichnen. Vor allem seine weitere These, Rechner und Maschinen könnten auch zukünftig niemals Empathie entwickeln und daher auch nicht wirklich Literatur schaffen, blieb nicht ohne Widerspruch. Denn die Zukunft sei offen, man wisse nicht, was sie bringe. Im Übrigen gebe es schon heute Hilfsroboter zur Pflege und Haushalt, die mit künstlichem Augenaufschlag bei dem Menschen Empathie ihnen gegenüber erzeugten. Damit, so eine andere Meinung, sei aber noch nichts über die Empathiefähigkeit der Maschine selbst ausgesagt. Bestenfalls werde sie vom Menschen in sie hineinprojiziert.
Danach trug Susy Bergmann ihre Erzählung „Home smart home“ vor. Darin lebt die Protagonistin in einer allzu nahen Zukunft in einem perfekt durchtechnisierten smarten Home. Dieses nimmt ihr alle Widrigkeiten und Aufgaben des Lebens ab, vom Essenbereiten bis zur Körperpflege, von der Abwehr ungewollter Kommunikation bis zu Selbstbefriedigung, von der Schuhreinigung bis zur Einhaltung des Biorhythmus. Selbst der Ehemann wählt eine 98-prozentige Übereinstimmung mit ihren Vorlieben aus. Und die Kinder sind so brav und klug. Bis ein plötzlicher Stromausfall alles zum Stillstand bringt und Ehemann und Kinder als vorprogrammierte Hologramme entlarvt, die das smarte Home ebenfalls zur Verfügung stellt. Der Clou: Die Protagonistin weiß um die Künstlichkeit ihrer sozialen und häuslichen Umwelt, findet das aber völlig normal. Von einigen Zuhörern wurde gerade dieser Umstand für unglaubwürdig erachtet. Andere erinnerten daran, dass doch schon heute die Menschen wider besseres Wissen auf ihre Rechner einschimpften und -redeten, wenn sie nicht so funktionierten wie sie sollten, also zu ihren Maschinen eine Art „soziales Verhältnis“ entwickelten.
Nach der Pause las Werner Leuthner seine Geschichte „Der Androide Ion3 taucht unter“. Dieser soll nämlich abgewrackt werden. Weil sein Erbauer sich erlaubt hatte, ihm einfach einen sogenannten „Emotion-Chip“ einzusetzen, ist er aber in der Lage, sein Schicksal zu erkennen und sich durch Flucht dagegen zu wehren. Allerdings ist die Energieversorgung in der unwirtlichen und unmenschlichen Zukunftslandschaft für ihn ein großes Problem. Geschildert wird u.a., wie er einen Transportroboter überfällt und ihm Energie absaugt. Auf Dauer ist das jedoch keine Lösung. Da taucht der menschliche Erbauer der Maschine auf, weil die Flucht des Androiden allgemein bekannt geworden ist und hilft ihm. Er hat ein Powerpack und einen Kompass dabei, mit deren Hilfe er eine Gruppe von alternativen Menschen erreichen soll, die weit hinter den Bergen leben und ihm vielleicht helfen. In diesem verhältnismäßig langen Text war also die Empathie zwischen Mensch und Maschine ausdrücklich zum Thema gemacht. Die Frage der Empathiefähigkeit von Maschinen war erneut Thema der Diskussion.
Zuletzt las Susanne Grohs von Reichenbach ihre Geschichte „better bee“ vor. Auch in ihr ging es um das Verhältnis Mensch – Maschine. Ein kleines Kind beobachtet, wie seine Mutter eine künstliche Biene per Smartphone zu steuern versucht, die – in einem Glaskasten – einer natürlichen Biene die Pollen abnehmen soll. Das gelingt nicht, wie programmiert, die Mutter schimpft mit der künstlichen Biene, also einem Automaten, mit dem Smartphone und redet auch mit einem Menschen, der offenbar auch in dem Projekt mitarbeitet. Die Frau entwickelt also gewissermaßen auch ein unsinniges soziales Verhältnis zu ihrem Testprodukt. Dann beißt schließlich die künstliche Biene der natürlichen den Kopf ab und saugt dann die Pollen auf. Offensichtlich eine Fehlfunktion.
Die Texte evozierten eine z.T. intensive und sehr sachliche Diskussion über mögliche zukünftige Fähigkeiten von Maschinen (etwa Literatur zu produzieren, Bewusstsein zu entwickeln, ‚ich‘ zu sagen usw.), und dem Verhältnis der Menschen zu den Maschinen. Naturgemäß konnte es kein Ergebnis geben. Am 20.12. wird die äußerst interessante Diskussion anhand der dann vorgetragenen weiteren Texte zum Thema fortgesetzt werden.
Bericht von USN