„Ameise sucht Elefant, mit viel Herz und mit Verstand“ – Abendbericht vom 17. März 2023

Und „wie endet die Geschicht: Ein Happy End, das gibt’s hier nicht.“ Zumindest nicht im Gedicht Ameise, mit dem der Autor Nöck Burmeister vor einem guten Dutzend Zuhörer sein Potpourri an Reimgedichten eröffnet. Diese handeln von Liebe, Tieren, Träumen, Erinnerungen und den Tücken des Alltags. Heiter und leicht kommen die lebendig und stimmungsvoll vorgetragenen Gedichte des 78-jährigen Autors daher. Mal geht es um die zarten Gefühle von Frau Paprika, Herrn Zucchini und anderem Gemüse im Ratatouille; mal reißt sich der achtbeinige Weberknecht ein Bein aus, um es der nur sechsbeinigen Fliege abzugeben, in die er sich verguckt hat. Oft geht es um Kleingetier wie Mücke, Laus und Regenwurm, „Spinnennetzearchitekten“ … und manch andere Insekten. Ein Gedicht allerdings fällt aus dem Rahmen, es trägt den Titel Spezialoperation und thematisiert das ernste Thema des Ukrainekriegs.

Burmeister beschreibt sich selbst als Schnelldichter. Viele seiner Verse entstünden in wenigen Minuten, sie fallen ihm vor dem Einschlafen oder beim Aufwachen ein. Insbesondere während der Corona-Zeit habe ihm das tägliche Reimen zu einem ruhigen Schlaf verholfen. Das Bändchen Gedichte mit und ohne Schwips, aus dem er im ersten Teil des Abends liest, ist im Deutschen Lyrik-Verlag erschienen und verkauft sich laut Burmeister über Amazon ganz gut. Auch bei seinen Enkeln und bei Lesungen in Altenheimen fänden seine Gedichte Anklang.

Das Zuhörer-Feedback im Literaturbüro ist hingegen gespalten. Die Gedichte werden von manchen als schön und interessant gelobt. Doch nicht jede*r gibt sich mit der harmlosen Fabuliererei zufrieden. Es wird einerseits „Streitbarkeit“ andererseits „lyrische Märchenhaftigkeit“ vermisst. Auch die Reproduktion stereotyper Geschlechterrollen stößt auf Kritik. Den Fragen nach einem tieferen Sinn und der Konventionalität setzt der Autor seine einfache Freude am Wortspiel entgegen, das, so meint er, nicht an Vorbildern geschult sei. Woran aber dann? Denn gerade die Tiergedichte basieren offensichtlich nicht auf naturalistischer Beobachtung.

Nach der Pause liest der Autor bisher Unveröffentlichtes unter dem Arbeitstitel Gedichte mit und ohne Haken, und nun gelingt es ihm, auch das kritische Publikum für sich zu gewinnen, indem er die Zuhörer in seine persönlichen Erinnerungen eintauchen lässt.

Im autobiografischen Gedicht Kindheit erzählt Burmeister vom Glück seiner Kindheit in Norddeutschland, wo er als Sohn einer Erzieherin jeden Tag die Spielkameraden im eigenen großen Garten zu Gast hatte, dessen „Gärtnerin“ seine Mutter war. Er lässt das Bild der halbzahmen Dohle vor dem inneren Auge entstehen, die auf Zuruf zwar nicht zu ihm, aber zum Vater geflogen kam, von einem Karussell aus einem alten Wagenrad und dem Holunderstrauch mit der darunter hausenden Kröte – und lässt abschließend das Glück mitspüren, das er heute als Großvater empfindet, wenn er an den Alltagsfreuden seiner Enkel teilhat.

Auch zwei weitere Gedichte, Uralte Uhr und Bruno der Bär, gefielen dank der technischen Detailgenauigkeit beziehungsweise der konkret-recherchierten Erinnerung an den 2006 in Bayern zum Politikum gewordenen Problembären und sein trauriges Ende durch einen Gewehrschuss.

Bericht und Foto: Simone Kayser