Vier recht unterschiedliche Genres bediente Autor Knud Hammerschmidt im Münchner Literaturbüro und zeigte, dass er nicht nur ein polyglotter Allrounder und Weltenbummler ist, sondern auch ein literarischer. Mit „Und kein bisschen weise“, einem Poetry-Text, eröffnete er den Abend. Im Mittelpunkt des Textes stand das „Erwachsenwerden“, oder „Erwachsensein“, das vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist. Wobei das Publikum im Anschluss weniger auf den Inhalt, sondern auf die Frage einging, ob es tatsächlich Poetry war, oder doch eher eine pointiert und schnell vorgetragene Glosse. Gleichgültig! Denn der Text kam gut an, abgesehen davon, dass er manchen doch zu schnell war und nicht allen Pointen gefolgt werden konnte.
Dem flotten Einstieg ließ der gebürtige Duisburger die Erzählung „Club Tropicana“ folgen. Eine Gruppe junger Leute macht sich, nach reichlich Drogen- und Alkoholkonsum, einen leichtsinnigen Spaß und fährt nach drüben in den Osten (die Geschichte spielt vor dem Mauerfall). Bautzen, Transit, Ostkneipe, Karo-Zigaretten – der Autor zeigte, dass er sich im Milieu auskennt. Die Geschichte, im Stil einer Beat-Story vorgetragen, wurde lebendig diskutiert. Ob eine personale Erzählstruktur die Geschichte nicht noch dichter, emotionaler gemacht hätte als die auktoriale? Ob nicht zu viel an Drogen, Alkohol und Zigaretten in der Geschichte vorherrschen? Ob die geschichtliche Tragweite, die Gefahr des Tripps in den Osten ausreichend dargestellt ist? Der Autor ließ sich gern auf die Diskussionen ein und wusste, seine Standpunkte darzulegen.
Schwieriger zu diskutieren war der Auszug aus dem Roman „Das Lächeln am Rand der Welt“. Drei Personen werden angerissen, die ältere Nonne Miriam, Joint-rauchend, lebenserfahren, eine verwaschene Tätowierung auf ihrem Unterarm; Pastor Vinzenz, der sein Leben in Frage stellt; das schöne Mädchen (ich meine, es war Viona), lebensfroh, abenteuerlustig. Was sie verbindet, ist der Camino, der Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Aber nicht nur. Die Konflikte der Personen werden in den ersten gelesenen knapp 20 Seiten angerissen, wenn sie auch nicht (oder noch nicht) deutlich werden. Die Tätowierung der Nonne hinterlässt beim Publikum nicht nur Zustimmung. Muss mit Ausschwitz gewunken werden? Wann spielt die Geschichte, wenn die Nonne mit vier Jahren im KZ zwangstätowiert worden ist? Wie alt kann sie dann sein, muss sie dann sein? Es geht um Details und Präzision, wie auch um Figurenzeichnung. Rundum gelobt werden die Dialoge, mit denen Knud Hammerschmidt seine Figuren auftreten lässt.
Dies trifft besonders auch auf die letzte Geschichte zu, das aktuelle Romanprojekt „Roaring Eighties“. Eine ältere Dame fällt im Hotel mit dem Kopf voraus in eine Torte. Tot. Das Hotelpersonal will jegliche Aufregung vermeiden – wäre schlecht fürs Geschäft. Und eine Tote macht zudem Umstände, vor allem, da die Polizei es nicht eilig hat. Es gibt viel zu tun, eine Tote kann ja nicht weglaufen, man kann sie also doch mal etwas abseits stellen. Knut Hammerschmidt erzählt mit Lust und Laune, zeigt sein Fachwissen als ehemaliger Hotelier und untermalt die Dialoge der Akteure im breitesten rheinischen Dialekt, während die Tote auf ihrem, pardon, verschissenen Stuhl sitzt – Darmentleerung nach Todeseintritt. Das Ganze hat Ironie, Charme und Witz. Man darf gespannt sein auf mehr.
Bericht und Foto: FW