Rumänische Zeitreise – Lesung vom 20.9.2019

Zu Beginn die Eindrücke einer Siebenjährigen im Dezember 1989, während des Sturzes des Diktators Ceaușescu, verfasst in Tagebuchform, denen man eine passende kindliche Lebendigkeit attestierte. Spurweise war darin das im Kern angelegte Thema des Großvaters herauszuhören, den das Mädchen nie kennenlernte. Er war von 1959 bis 1962 als politischer Häftling inhaftiert. Dieses Thema erweiterte sich im zweiten Textteil, in dem mehr von der zwischen diesen Zeiten stehenden Person, der Mutter, zu erfahren war. Eine Videoeinlage zum Text wurde über den Laptop vorgespielt: eine rumänische Schulklasse (80er Jahre) singt fröhlich „Wir im Jahr 2000“:

https://www.youtube.com/watch?v=q-_iXaXrUtM

Es folgten jeweils angeregte Diskussionen eher über den geschichtlichen Hintergrund, und die Autorin erkläre gerne den Ursprung der Textidee, zu der z.B. der Film „Die Reise mit Vater“ (von Anca Miruna Lazarescu) auf dem rumänischen Filmfest in München eine Anregung war.

Luvan
Luvan

Dafür gab es ein Intermezzo vor der Pause: eine Klangcollage mit erzählenden Stimmen (Englisch, Tschechisch, Französisch) von der Künstlerin Luvan, die aus Frankreich stammt, und diese Arbeit ebenfalls unter dem Themenkontext der Diktatur und dem Leid der Menschen darunter erstellte. Ein Ausschnitt aus ihrer Kurzgeschichte „Another Communist Horror Story“ im Ganzen zu hören hier:

https://www.luvan.org/luvan-grav/publications/another-communist-horror-story

Der dritte Teil mutete eher wie eine geschichtliche Exkursion an, enthielt Daten und Zahlen, aber warf auch Fragen zum Umgang mit den Spuren in der Gesellschaft und den Tätern auf. Im letzten Textteil standen die Reflexionen im aktuellen Leben im Mittelpunkt. In die Texte eingewoben waren Gedichte des Großvaters der Autorin, sowie eigene.

Radovan und Luvan
Radovan und Luvan

Zu allem Gehörten bestätigte das Publikum die Allgemeingültigkeit des Textes, der weit über ein Land und das Schicksal der hier konkret geschilderten Personen hinaus gehe. Und die hohe Sprachbegabung der Autorin beeindruckte, denn sicher würde man ihr auch exzellente Texte auf Deutsch zutrauen.

Wer mehr zu diesem autobiographischen Projekt der Autorin wissen möchte:

http://dianaradovan.com/2019/02/13/our-voices-why-this-book-why-now/

Als Nachtrag gab es eine Ankündigung der Autorin: unter dem Titel „ARCANA“ – An illumination of words and images curated by the Tarot“ ist Diana Radovan wie auch Luvan vertreten mit ihren Arbeiten, zusammen mit anderen Künstlern in der Orangerie im Englischen Garten vom 27. 9. (Vernissage 19 Uhr) bis zum 6.10.2019. Gerne geben wir diesen Tipp weiter.

Alles in allem ergab sich ein wirklich interessanter Abend, wie Stimmen aus dem Publikum bestätigten.

Bericht von Bea Cavallo